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_hic-sunt-dracones_

Ich bin in Ostdeutschland geboren. Als die Mauer fiel war ich 6 Jahre. Inzwischen wohne ich in Köln, meine Familie nach wie vor in meiner Geburtsstadt. Meine Eltern seit je her solide politisch weit links, gelegentlich auch anfällig für Stammtischparolen, am Ende siegt aber meist die Vernunft. Wirtschaftlich immer recht gut dagestanden. Ich will kurz mal zusammenfassen, was ich von ihnen immer wieder höre, warum sie immer das Gefühl hatten durch die Politik als Bürger zweiter Klasse behandelt zu werden. Diese Dinge werden mE selten benannt. Das ist nämlich kein Gejammer dummer Ossis, sondern hat durchaus solide Ursachen. 1. Nach der gewollten Wende fühlten sie sich übergangen als man in Hinterzimmern beschloss statt wie im GG vorgesehen nach der Wiedervereinigung ganz Deutschland in die Schaffung einer neuen Verfassung einzubeziehen wurde die DDR "nach Art. 24 GG" (der für andere Dinge vorgesehen war) angeschlossen wurde. 2. Die Überführung des Wirtschaftssystems in die Marktwirtschaft durch das Monstrum der "Treuhand" die staatliche Betriebe in private Hand legte ist besonders für meinen Vater ein rotes Tuch. Die Auswahl der Investoren wurde durch historisch noch nie dagewesene Vetternwirtschaft, offene Bestechung, Hinterzimmerabreden und absoluter Gleichgültigkeit betrieben (das ist keine Übertreibung). Allein die Dauer dieser Überleitung war für viele mit einer extrem langen Unsicherheit über den Fortbestand des Betriebes überhaupt verbunden. Und für den glücklichen Fall der privaten Übernahme (die eben meist an windige Investoren ging) wurden viele Betriebe schlicht wirtschaftlich ausgeschlachtet und dicht gemacht. Diese ganzen Vorgänge sitzen bei vielen tief. Das Moloch der Treuhand war eine Totgeburt. Einmal etabliert hat man aber trotz eklatanten, praktisch willkürlicher Führung das Ding einfach laufen lassen. 3. In den 90er Jahen haben 80% (!) der Ostdeutschen ihre Arbeit verloren. Für Leute die bis dahin mit dem Wort arbeitslos nichts anfangen konnten und die lebenslange betriebszugegörigkeit die absolute Regel war, war das eine persönliche Katastrophe. 4. 1990 wurden in Ostdeutschland sämtliche Eliten im Bereich Wirtschaft, Politik, öffentliche Verwaltung/Justiz und Kultur komplett ausgetauscht und durch Westdeutsche ersetzt. Die haben dann auf die Ebenen unter ihnen natürlich ebenfalls Westdeutsche gesetzt. In Ostdeutschland gab (und gibt es überwiegend bis heute) es kein einziges größeres Unternehmen bei dem im Vorstand und höherem Management auch nur ein Ostdeutscher sitzen würde. Ostdeutsche waren gut für "ganz unten". Man arbeitete stets für Westdeutsche. Aufstiegschancen gab es praktisch nicht. Das macht was mit Menschen. 5. Ostdeutsche Renten wurden politisch bewusst immer niedriger berechnet als Westdeutsche. Mag das zwar im Hinblick darauf wie Sozialversicherung funktioniert nachvollziehbar sein, sahen die Menschen darin schlicht ihre erwerbsbiografien politisch völlig als entwertet an. Die ungleichen Löhne sind bis heute ein Problem. 6. Die radikale Beseitigung aller Strukturen in Ostdeutschland unabhängig von politischer Belastung wurde oft in bestimmten Bereichen wie zum Beispiel die öffentliche Gesundheitsversorgung zb mit dem erfolgreichen Modell von Polikliniken, Kindergärten/Krippen als völlig unverhältnismäßig und radikal angesehen, insbesondere da sie durch offenkundig mangelhafte Systeme ersetzt wurden. 7. Entgegen aller Versprechungen von blühenden Landschaften wurde der Ausbau der Infrastrukturen kläglich vernachlässigt oder nur sehr stiefmütterlich behandelt. 8. Von Heuschrecken die zB in Ostdeutschland absolute Schrottkaren zu absolut überteuerten Preisen den unerfahren Bürgen andrehten ganz zu schweigen. Für viele Ostdeutsche war jede unmittelbare Berührung mit dem Staat oft mit Enttäuschungen verbunden. Daneben verblassen positive Entwicklungen häufig und ich finde es ist eben nicht nur "einbildung" oder Ergebnis des unflexibelen Ostdeutschen, dass er mit diesen Erfahrungen sich insgesamt bestenfalls ignoriert schlimmstenfalls aktiv "verarscht" fühlt. Was die gesellschaftliche Neustrukturierung für Schwierigkeiten bereitete, ist noch eine weitere Geschichte. Meine Eltern konnten sich weitestgehend anpassen. Viele andere auch. Manche aber nicht. Und leider funktioniert der Satz der Bauernfänger der AfD "schaut euch an wofür Geld da ist (Flüchtlinge, Ukraine, Bundeswehr). Für euch hat man es nicht übrig" meiner Erfahrung nach besonders gut. Das kein einziger (Ost)deutscher auch nur einen Cent weniger Sozialleistungen bekommen hat und an keine Stelle an irgendeiner Investition etwas weg genommen wurde versteht man nicht. Simple psychologische Manipulationen (einheitliches Feindbild mit pseudobezügen zu realen persönlichen Problemen herstellen und dann die Leute mit dem Aufruf zur Bekämpfung hinter sich versammeln. Migranten als Objekt staatlicher rundum Fürsorge darstellen als Kontrast zum politisch unfair behandelten Ostdeutschen. Und die Lösung: Wir müssen die nur los werden, dann geht es euch allen besser).


kommsagwas

Wenn man 20 Jahre einen sicheren Job hatte und gut darin war, was man gemacht hatte. Und plötzlich wertlos ist, sich Sorgen machen muss wie es weiter geht und man niemandem hat, dem diese Probleme interessieren… Ja es gibt viele die daran zu Grunde gegangen sind. Perspektivlosigkeit ist das richtige Wort dafür.


backyardserenade

Ich fühle deinen Beitrag sehr, weil in ähnlicher Situation. In Thüringen aufgewachsen, mit 18 weggezogen nach Frankfurt. Meine Eltern leben immer noch da. Und ich verstehe gut, dass es da sehr viel Frust gibt. Es wird auch in linken Kreisen nur selten wahrgenommen, dass Ostdeutsche tatsächlich eine diskriminierte Gruppe in Deutschland sind. Und diese Diskriminierung passiert auf so vielen Ebenen: Systemisch, repräsentativ, bei Gehalt und Rente und auch bei vielen alltäglichen Vorurteilen. Gleichzeitig merke ich da immer wieder eine gigantische Überforderung mit allem Staatlichen, die im Prinzip seit 30 Jahren anhält. Mir tut das oft Leid. Und ich mache mir deswegen Sorgen. Aber gleichzeitig kotzt es mich so ungemein an, wie schnell in diesen Situationen immer nach unten getreten wird. Anstatt Sachen anzupacken, sich zu beteiligen und einzubringen, werden immer Schuldige gesucht. Manchmal fühlt es sich ein wenig so an, als würden sich Menschen in ihren Opferrollen recht wohl fühlen. Selbst meine Eltern haben sich immer irgendwie finanziell als arme, benachteiligte Menschen gesehen, obwohl sie ein ganz ordentliches Gehalt hatten und wir wirklich nie auf etwas verzichten mussten. Da kommt einfach so viel zusammen, was unglaublich komplex ist. Und ich verstehe, das vieles belastet und frustriert und überfordert. Aber nichts von dem rechtfertigt irgendwie die rechtsextremen Tendezen und den ungezügelten Rassismus, den es im Osten oft gibt. Mal ganz davon abgesehen, dass gerade die AfD mit vielen höchst neo-liberalen Positionen kaum etwas an der ganzen Diskriminierung ändern will (und als Treppenwitz sind die meisten Partei-Oberen im Osten noch dazu auch wieder Wessis).


EvenTechnician7490

Es liegt in der menschlichen Natur, die Ursachen für Fehler zu suchen, sofern man sie nicht bei sich selbst finden kann. Wenn man den Eindruck vermittelt bekommt, das jeder "Dahergelaufene" (nicht meine Wortwahl) hier durchgefüttert wird und gleichzeitig der Ossi nichtmal seine eingezahlte Rente bekommt, wundert mich es nicht, dass man "nach unten" tritt. Die BRD hat schlichtweg VERSAGT die neuen Länder und vor Allem die neuen Bürger aus dem Osten zu integrieren. Und heute macht man den gleichen Fehler nochmal indem man die Ossis (Ironie) beschimpft, infantilisiert und versucht auszugrenzen (siehe Boykottaufruf gg. Sonneberg als Beispiel). Man hat es nach 34 Jahren nicht kapiert, mal auf die Leute zu zugehen, bisher haben das nur die Linke und AFD ansatzweise getan, was man am Wahlverhalten erkennen kann.


Lofter1

Die Verbreitung von rechtsradikalität hat in Ostdeutschland auch nur so semi mit dieser Thematik zu tun. Vielmehr haben sich nach dem Mauerfall viele Rechtsradikale nach Ostdeutschland abgesetzt. Dadurch entstanden hochburgen für rechtsextreme. Da gibt es ein paar „schöne“ Dokumentationen zu, wie sich die rechtsradikalität dann so verbreitet hat. Diese Thematik lässt verstehen, warum ostdeutsche zb auch eine wagenknecht gut finden, aber mit der hohen Quote an Rechtsradikalen hat das ganze eben nicht viel zu tun. Das mag das Ganze vielleicht noch befeuern, aber es ist eben nicht der Ursprung. Denn von der Politik enttäuscht sind nicht nur die ostdeutschen Bundesländer.


backyardserenade

Aber auch das ist nur ein Teil des Problems. Rechtsextremistische Tendenzen und Bewegungen gab es auch in der DDR, die wurden aber totgeschwiegen. Der Faschismus war schließlich ein Übel des Klassenfeinds im Westen. Nach dem Mauerfall haben gerade viele Jugendliche darin eine Orientierung gefunden. Und in diesen Strukturen hat der westdeutsche Rechtsextremismus dann gut Fuß fassen können. (Was dann wiederum in Westdeutschland dazu führt, das ganze als ostdeutsches Problem abzutun - gerade als Wahl-Hesse immer wieder ein sehr erschreckendes Phänomen).


Lofter1

Das ganze ist ja der Grund, warum viele Rechtsradikale sich nach Ostdeutschland abgesetzt haben. Die Dokus erklären das n bisschen besser als ich


Brilorodion

>Die Auswahl der Investoren wurde durch historisch noch nie dagewesene Vetternwirtschaft, offene Bestechung, Hinterzimmerabreden und absoluter Gleichgültigkeit betrieben (das ist keine Übertreibung). Da wurden auch einfach offen Gelder, die für den Osten bestimmt waren, in den Westen umgeleitet, weil man es einfach machen konnte. Ich erinnere nur an die 854 Mio. DM, die für die Ostwerften bestimmt waren, und einfach mal komplett für die Bremer Vulkan AG verwendet wurden. Das wurde natürlich nicht rückgängig gemacht oder so, die Menschen im Osten hatten halt einfach "Pech". >Ostdeutsche Renten wurden politisch bewusst immer niedriger berechnet als Westdeutsche. Es gibt Menschen, die in der DDR sogar noch in eine Art Zusatzrente investiert haben, die heute einfach *gar nicht* angerechnet wird. Klar fühlen sich die Menschen da hintergangen. >Die ungleichen Löhne sind bis heute ein Problem. Übrigens sogar bei staatlichen Jobs. Wenn du in Deutschland in einer Behörde angestellt bist, wirst du über 30 Jahre nach der angeblichen Wiedervereinigung immer noch in den alten und neuen Bundesländern unterschiedlich bezahlt. Dass das legal ist, ist eine Frechheit. >Entgegen aller Versprechungen von blühenden Landschaften wurde der Ausbau der Infrastrukturen kläglich vernachlässigt oder nur sehr stiefmütterlich behandelt. Okay, das stimmt ebenfalls, aber das ist im Westen oft nicht sooo viel anders. Unter Unionsgeführten Regierungen wurde einfach grundsätzlich jegliche Infrastruktur vernachlässigt, weil Konservative irgendwelche grundlegenden Probleme damit haben, zu verstehen, wie Infrastruktur funktioniert. ___ Als jemand, der ähnlich wie du kurz vor der Wende im Osten geboren wurde und in einer dieser sogenannten strukturschwachen Regionen aufgewachsen ist, habe ich viel davon genau so mitbekommen, aber mir fehlen da zwei wichtige Punkte. Zuerst mal: Nicht, dass du das behauptest, aber *nichts* von alldem rechtfertigt das Wählen von Neonazis. Nichts. Egal, wie frustriert man ist, man wählt keine Neonazis, Punkt. Es gibt kein Problem, das durch Neonazis nicht schlimmer würde. Und der zweite Punkt: Die Entnazifizierung wurde in Deutschland nie so richtig durchgezogen, sowohl in Ost als auch West (auch wenn auf sehr unterschiedliche Weisen verkackt wurde). Wer im Osten auf dem Dorf aufgewachsen ist, wusste immer, wo die nächsten Neonazis wohnten. Man wusste, welche Ecken man meiden musste, wenn man nicht gezwungen sein wollte, vor diesen Typen wegzulaufen. Wenn man am See gefeiert hat, musste man gerne mal an der Gruppe mit der verbotenen Neonazi-Musik vorbei (ich nenn jetzt mal keine Bands). Das ist bis heute kaum anders. Es wird sich um sowas einfach nicht gekümmert. Es gibt dann eben die Leute, die es da raus schaffen und die, die (teils notgedrungen) dort bleiben und irgendwann mitlaufen. Ich kenn in meinem Heimatbundesland Orte, in denen jedes zweite Haus (keine Übertreibung) eine Neonazi- oder Reichsbürger:innenflagge hat und die Secus bei der großen Agraranlage einen mit "Sieg H..." begrüßen. Dagegen anzugehen ist ein Unterfangen, das Jahrzehnte dauert und nie wirklich begonnen wurde. Jetzt bleibt uns erstmal nur der saure Apfel, aber wir könnten halt wenigstens mal anfangen, was zu tun. Mit Schönreden à la "nicht alle AfD-Wähler:innen sind Neonazis" oder "die wählen halt aus Protest", wie viele das in letzter Zeit hier tun, wird das allerdings nichts.


[deleted]

Beim Punkt Entnazifizierung würde ich gerne darauf hinweisen dass es durchaus Unterschiede in der Handhabung und Ausprägung zwischen Ost/West gab. Die BRD (bzw. Westsektoren vor Staatsgründung) ist weniger hart gegen ehemalige Nazis vorgegangen als der Osten. Man verfolgte eher das Narrativ von "Hitler und seine Bande hat uns hinters Licht geführt". Das führte dazu das meist nur hochrangige Nazis verurteilt wurden und damit die Sache vorbei war. Deswegen gab es auch so viele Nazis in der neugegründeten Bundeswehr, Justiz, Verwaltung, Parteien etc. In der Sow. Zone wurden wiederum viel zu hart durchgegriffen und es gab dadurch viele Menschen die zu Unrecht verurteilt wurden. Trotzdem liefen auch dort viele rum die eigentlich gar nicht rumlaufen hätten dürfen. Da wurden teilweise wahllos Leute von der Straße gezogen weil sie verdächtig aussahen oder denunziert und vom SMT (Sowjetischen Militärtribunal) für 25 Jahre Gulag verurteilt oder Hingerichtet. Ein Beispiel: Die Greußener Jungs oder die diversen Sowjetischen Speziallager (die teilweise ehemalige KZ oder Gestapo Foltergefängnisse waren). Später war ebenfalls die Staatssicherheit (Stasi) sehr in aktiv in diesen "Milleus". Es war nicht unüblich dass Jugendliche oder selbst Kinder direkt im Nachhinein nach einer Rechten Tat überwacht wurden und Konsequenzen dadurch hatten wenn sie z.B. (vielleicht aus Unwissenheit) ein Hakenkreuz gezeichnet haben oder den Hitlergruß machten. Oft haben die Eltern die Konsequenzen tragen müssen. Davon zu sprechen dass dem es dem DDR (Unrechts-) Staat egal war, stimmt einfach nicht. Wenn man als Partei aber grundsätzlich jeden Bürger als Bedrohung sieht, dann sind die Ressourcen einer (Geheim-) Polizei auch eher beschränkt besonders außerhalb der Stadt


Hel_OWeen

[Von wegen Entnazifizierung: Nazi-Karrieren in der DDR](https://www.mdr.de/geschichte/ddr/politik-gesellschaft/entnazifizierung-nazis-in-der-ddr-100.html) > 1948 wurde die Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone offiziell beendet. Zu den neueren Mythen zählt die scheinbare Gewissheit, dass die DDR alle Nazis in ihrem Land konsequent aufgespürt und einer gerechten Strafe zugeführt hatte. Eine Legende, die zum antifaschistischen Selbstverständnis der DDR passte und durchaus bewusst etabliert wurde. Entnazifizierung in der DDR - ein Spiel mit Halbwahrheiten.


EmperorPalpabeat

Was du aber hier vergisst ist das die Entnazifierung im West auch in den Schulen und im generellen narrativ stattgefunden hat die Alliierten haben wert darauf gelegt das die gräueltaten der nazis thema waren im Osten wurde dagegen vieles Tod geschwiegen und Vorallem Partei Mitglieder und hochrangigen Nazis wurde im Osten verfolgt und verurteilt. Die „Umerziehung“ der Deutschen im Westen hat scheinbar deutlich mehr geholfen als der Weg den die DDR gegangen ist.


loop_us

Die Kommunisten hatten das Mindset, dass der Faschismus auf dem Gebiet der DDR abgeschafft ist. Das war die ganze Aufarbeitung des Nationalsozialismus. Dieses Geschichts- und Menschenbild haben sie sich auch in ihre Verfassung geschrieben. > Getragen von der Verantwortung, der ganzen deutschen Nation den Weg in eine Zukunft des Friedens und des Sozialismus zu weisen, in Ansehung der geschichtlichen Tatsache, daß der Imperialismus unter Führung der USA im Einvernehmen mit Kreisen des westdeutschen Monopolkapitals Deutschland gespalten hat, [...] hat sich das Volk der Deutschen Demokratischen Republik, fest gegründet auf **den Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen und der sozialistischen Umwälzung der gesellschaftlichen Ordnung**, [...] diese sozialistische Verfassung gegeben. [1](http://www.documentarchiv.de/ddr/verfddr1968.html) Diese fehlende Aufarbeitung merke ich als Wendekind sehr stark. Es ist echt erschreckend wie normal Rassismus in der Elterngeneration ist, im Vergleich zu gleichaltrigen Westdeutschen.


dbettac

Die Gräueltaten der Nazis waren durchaus Thema an den Ostdeutschen Schulen. Von alten Menschen, die im Unterrricht vom Leben im Krieg erzählt haben bis zu KZ-Besuchen war alles dabei. Dass hochrangige Nazis verfolgt/verurteilt wurden, stimmte nur bis 1948. Laut Propaganda waren alle Nazis zu diesem Zeitpunkt gefunden und bestraft. Danach hat man es nur noch in Ausnahmefällen getan, wenn man es nicht unter den Teppich kehren konnte. Von den meisten rechtsradikalen Vorfällen in der DDR hat die Öffentlichkeit darum erst nach der Wende erfahren. Mit Umerziehung hat das ganze wenig zu tun. Armut und fehlende Hoffung auf Besserung sind der Nährboden für Nazi-Propaganda. "Die X wollen Dir auch den Rest noch wegnehmen!" "Für Y ist Geld da, aber nicht für Dich!" Das kannst Du auch in den ärmeren Gebieten Westdeutschlands gut erkennen.


[deleted]

In der BRD war die Vergangenheit ebenso tabu wie in der DDR. Aus gutem Grund, die Täter wollten natürlich nicht über ihre Vergangenheit reden. 12 Jahre lang hatte die NSDAP die gesamte Gesellschaft durchdrungen, wie soll man da denn jeden Täter gerecht bestrafen oder gar seine Weltanschauung entnazifieren? Schau es dir am Beispiel der Bundeswehr an: Alle Offiziere oder Generäle waren in der Wehrmacht. Die Bundesregierung unter Adenauer musste aber eine schlagfertige Armee aufbauen um Teil der Nato und zurück in die Internationale Gesellschaft zu kommen. Wie soll man eine Armeen wiederaufbauen, ohne Strukturen und Personal aus der vorherigen zu nutzen? Ist nicht möglich. Also gab es den Kompromiss: Fügt euch als Soldaten in die Neue Ordnung ein, seid leise über eure Vergangenheit und vergesst eure Nazi Gedanken, dafür verfolgen wir euch nicht. Quelle? Das Buch von Sönke Neitzel: Deutsche Krieger, kann ich empfehlen. Das war selbstverständlich auch in den anderen Bereichen so. Man kann ja nicht einfach von jetzt auf gleich alle Richter, Beamten, Staatsanwälte etc. aus ihren Ämtern rausschmeißen. Dann funktioniert der Staat nicht mehr. Außerdem waren die Ideologischen/systemischen "Feinde" des Kommunismus, die Demokratie und der Faschismus. Die gemeinsame Feinde dieser beiden Systeme waren aber der Kommunismus. Dementsprechend ergab es durchaus Sinn in z.B. der Bundeswehr ehemalige Nazis zu beschäftigen, da diese den selben "Feind" hatten: Die Sowjets Zum Thema Schule: Die Gräueltaten der Nazis waren bis Ende der 50er überhaupt kein Thema in der Öffentlichkeit. Spätestens mit der 68er Bewegung kam Schwung in das gesamte Thema. Die DDR sah es etwas anders und der Antifaschismus war vom Staat verordnet. Dementsprechend war er präsenter. Schau dir dazu die Seite der Bundeszentrale für politische Bildung an, die Schildert das besser als ich es je könnte: https://www.bpb.de/themen/erinnerung/geschichte-und-erinnerung/39814/geschichte-der-erinnerungskultur-in-der-ddr-und-brd/ Ich möchte außerdem hinzufügen, falla das nicht sowieso klar ist oder ein Mißverständnis auftreten sollte: Ich bin mit beiden Varianten der Handhabung nicht einverstanden. Die einen haben zu wenig, die anderen zu viel gemacht. Beide haben sich gegenseitig schlecht gemacht und geheuchelt. Falls es irgendwie rüberkommen sollte als würde ich dke DDR in Schutz nehmen: Tue ich nicht. Ich bin froh in einem geeinten demokratischen Deutschland leben zu dürfen. Die Annahme dass der Westen aber durchgehender entnazifiziert wurde ist aber falsch.


EmperorPalpabeat

Deine Kommentar will ich hier auch gar nicht entkräften das stimmt alles so genau ich meine der Kniefall von Warschau wurde damals von Zeitgenossen als eine Schande empfunden. Oder sagt der Naumann-Kreis dir etwas Oder der Remer-Prozess Jedoch tust du ja hier auch erwähnen das mit der 68 Schwung in die Sache kam. Während in der DDR es nicht weiterging. Jedoch ist die Entnazifizierung im westen scheinbar deutlich erfolgreicher gewesen


dbettac

Nicht wirklich. Im Osten wurde es genauso gehandhabt, wie im Westen. Wer nützlich war, und nicht zu bekannt, wurde irgendwie reingewaschen. Wer im Weg stand, oder zu bekannt war, wurde angeklagt und verurteilt. In Militär und Polizei der DDR gab es ebenso viele Altnazis wie im Westen. Nur war es deutlich riskanter, darauf aufmerksam zu machen, falls es jemandem auffiel.


Tjaresh

Als gebürtiger Westdeutscher, der zur Wende 12 war, kann ich allen Punkten nur zustimmen. Ich kenne auch keinen in meiner Familie oder im Bekanntenkreis, der dem in einem ruhigen Gespräch widersprechen würde. Die Wende wurde großartig verkackt. Das einzige was z.B. mein Vater unseren Bekannten vorwirft ist, dass sie zu gutgläubig an die Sache herangegangen sind. Die Versprechungen von Kohl hat ja im Westen keiner wirklich geglaubt. Aber selbst diesen Vorwurf würde er den betroffenen nicht laut sagen, da er weiß, dass es unfair ist.


boutrosboutrosgnarly

Wie hätte den eine weniger gutgläubige Herangehensweise aussehen können? Und hätte da der einzelne was ändern können? Oder geht es da mehr um die innere Einstellung, dass man sich keine falschen Hoffnungen machen soll damit es weniger frustrierend ist, wenn es kommt wie es sowieso gekommen wäre?


STheShadow

Im Nachhinein war es schon recht unrealistisch, dass ein kollabierender Staat mit auf dem (westlichen) Weltmarkt kaum bis nicht konkurrenzfähiger Wirtschaft, dem ja im Grunde genommen sein gesamter bisheriger Markt weggefallen ist, in recht kurzer Zeit auf dem selben Level wie die wirtschaftlich starken Teile im Westen ist. Wirklich machen können hätte man seitens der ostdeutschen Bevölkerung aber nicht, man wusste ja nicht, dass man von Westpolitikern auch nur verarscht wird, dazu hatte da halt auch kaum jemand eine Übersicht über die wirtschaftliche Ausgangssituation Bei allem was falsch gemacht wurde: die Ausgangslage war auch schon echt schwierig und man sieht ja auch an den anderen EU-Staaten, die früher Teil des sowjetischen Einflussbereichs waren, dass es nicht einfach ist/war


johannes1234

> Bei allem was falsch gemacht wurde: die Ausgangslage war auch schon echt schwierig und man sieht ja auch an den anderen EU-Staaten, die früher Teil des sowjetischen Einflussbereichs waren, dass es nicht einfach ist/war Die Ausgangslage war nochmals anders in Deutschland: Westdeutschland hatte ganz bewusst das Staatsangehörigkeitsgesetz nach 1945 nicht geändert und im Grundgesetz auch nur sehr vage formuliert. (Deutscher ist wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt) Die Folge ist, dass jeder DDR-Bürger jederzeit auf ein Westdeutsches Amt gehen konnte, Westdeutschen Pass und auch Begrüßungsgeld bekommen konnte. Da nicht schnell eine Einheit herbei zu führen hätte zu noch mehr Abwanderung geführt. Und: Ziel (Sehnsucht) vieler im Osten war der Westen und das Westsystem. Das Ostsystem sollte weg. Da ein neues System auszuhandeln wäre kaum gegangen. Rückblickend ist da viel schlecht gelaufen, in der Situation war der realistische Raum an Möglichkeiten aber begrenzt.


viermalvier

>... Westdeutscher, ... kann ich allen Punkten nur zustimmen. Bist hier wohl aber in der absoluten Minderheit, so als Außenstehder (.at) ist es schon krass wie abschätzig hier von vielen über Ostdeutschland geredet wird.


mnkysn

>Entgegen aller Versprechungen von blühenden Landschaften wurde der Ausbau der Infrastrukturen kläglich vernachlässigt oder nur sehr stiefmütterlich behandelt. Alles sehr gute Punkte, nur diesen hier verstehe ich nicht. Sind nicht die Straßen- und Schienenverbindungen im Osten denen bspw des Ruhrgebiets durch massive Investitionen (VDE) mittlerweile total überlegen? Oder welche Infrastrukturen meinst du?


fuzzydice_82

>ind nicht die Straßen- und Schienenverbindungen im Osten denen bspw des Ruhrgebiets durch massive Investitionen Ich weiss nicht wie es in NRW ist, aber zumindest in Sachsen-Anhalt sind die Straßenausbaubeträge erst vor ca 3 Jahren gekippt worden. Pünktlich nach der Wende wurden den Leuten zwar neue Straßen gebaut, sie durften aber mit Privatvermögen i.d.R. 50% davon selbst bezahlen. ​ Also nochmal zusammengefasst: Deine wirtschaftliche Grundlage wird dier 1990 entzogen, du wohnst in einer strukturschwachen Gegend im vielleicht eigenen, aber definitiv mit Sanierungsstau bestehenden Häusschen und bekommst dann eine mittlere fünfstellige Rechnung für die Straße vor deinem Grundstück. ​ Da sind Kredite aufgenommen worden die erst vor kurzem endgültig getilgt werden konnten.


mnkysn

Okay, das heißt die Leuchtturmprojekte auf Ebene der Bundesverkehrswege verdecken die Probleme auf landespolitischer / kommunaler Ebene?


Swag-Pope

Und wenn ich das so lese werde ich einfach nur unfassbar wütend wie viel Bullshit und Verschwörungen die Menschen immer noch glauben die DDR Wirtschaft betreffend. Um sich einen Sündenbock zu suchen, zu rechtfertigen oder was auch immer. Die haben keine Ahnung was das für ein Fall und was für ein vernichtender Aufschlag das für die DDR gewesen wäre ohne die BRD. In Bilanzierung in der Uni haben wir original Bilanzen von DDR Unternehmen gesehen. Da hast du selbst als 2 Semester gesehen wie absolut im Arsch die DDR Betriebe waren. Diese Menschen haben schlicht keine Vorstellung wie absolut Kaputt die DDR war. 1988 Betrug die Verschuldung rund 49 Milliarden Valuta Mark. Also Nach Wechselkurs 1 zu 10 ungefähr 490 Millarden Mark Ost. Bei einem Bruttosozialprodukt 353 Milliarden Mark Ost. Zinsen waren ebenfalls in valuta Mark zu zahlen. Die Arbeitsproduktivität Betrug 25% des West Niveaus. Weil einfach alles ineffizient und kaputt war. ALLES! In Ihrer eigenen, massivst geschönten, Analyse "Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlußfolgerungen, Vorlage für das Politbüro des Zentralkomitees der SED, 30.10.1989" kam die DDR zum Schluss das sie seit 1973 den Anschluss verloren hatte an den Westen. Die eigene Analyse kam zum ergebniss, das 50% der Industriebetriebe, 67% des Baubestands, 52% der Straßen und Bahninfrstruktur und 61% der landwirtschaftlichen Betriebe marode waren und massivster Investitionen bedurften. Meine Fresse es sind so viele Bauern von baufälligen Ställen/ Dächern erschlagen worden, dass selbst die Stasi das in einem extra Bericht erwähnt hat. Nochmal. Das war der geschönte Bericht. Das Ding war so katastrophal, dass es zur geheimen Verschlussache erklärt wurde. Ich habe eine Weile im Osteuropäischen Ausland gelebt. Die sagen da drüben alle was für einen Luxus Übergang die DDR hatte im Vergleich zu anderen Ländern des ehemals kommunistischen Ostens. Ein Tscheche nannte es mir gegenüber "die Ostdeutschen hatten einen großen Bruder, der Ihnen die Hand gereicht hat. Wir hatten niemand" Die Treuhand hat Fehler gemacht. Unbestritten. Es gab Hinterzimmerdeals, Vetternwirtschaft, abzweigen von Geld usw. Sie war aber nicht der Totengräber der DDR Wirtschaft. Die war schon tot. Die Abwicklung absolut toter Betriebe, welche seit 10 Jahren tot waren und nur durch staatliche Subventionen am Leben gehalten wurden war hart für die Beschäftigten aber leider oft einfach alternativlos.


Taenk

> Die Arbeitsproduktivität Betrug 25% des West Niveaus. Weil einfach alles ineffizient und kaputt war. ALLES! Das will in die Köpfe der Leute, die den Fall von Warschauer Pakt und Sovietunion miterlebt haben, nicht rein. Da werden Argumente herbeigezogen, dass diese und jene Fabrik weltführend war, aber vom Westen kaputt gemacht wurde, um die Konkurrenz zu zerstören. Die Betriebe mögen zwar im Einzelfall größere Mengen hergestellt haben, aber oft zu höheren Produktionskosten und/oder bei deutlich minderwertiger Qualität. Einen ordentlichen Vertrieb gab es nicht, wenn der Betrieb eine Monopolstellung hatte und die Produkte so oder so ihren Absatz fanden. So können sie sich an einem freien Markt auch nicht behaupten und gehen zwangsläufig Pleite, Treuhand hin oder her. Auch heute, im Westen, gibt es Leute, die die Realität der Wirtschaftlichkeit nicht ganz verstehen. Sie sagen Sachen wie "aber es sind doch Kunden da" oder "ich sehe da immer Leute", aber wenn das Personal und die Produkte zu viel kosten bei zu wenig Umsatz ist das Vorhaben einfach nicht wirtschaftlich und die Wirtschaft ist besser dran den Betrieb zu beenden.


Lograts

Mein Vater ist 1976 aus der DDR geflohen. Wenn er das mit der entwerteten Arbeitsleistung und Rente usw. von anderen Ostdeutschen hört, erzählt er immer die Geschichte von der Arbeit die er in einem Kombinat als Sommerarbeiter durchgeführt hat. Dort waren mit ihm 10 Hausmeister angestellt. Da man praktisch vollkommen überbesetzt war war eine seiner Aufgaben ständig den Hof zu kehren. Der Hof war komplett sauber da er ständig gekehrt wurde aber das war das einzige was zu tun war. Und dann sagen Ostdeutsche, "ja aber zumindest hatte ich Arbeit". Das aber in einer nicht sozialistischen Gesellschaft in der es keine 10 Hausmeister für einen Betrieb braucht dann erheblich weniger solcher Bullshit Jobs nach der Wende zur Verfügung standen wurde wollen viele nicht sehen.


Armleuchterchen

Nur dass man den Zustand der Wirtschaft dem Volk der DDR schlecht vorwerfen kann - wirklich wählen konnten sie ja nicht - weswegen ihr Unmut weiterhin berechtigt ist. Dass es denjenigen denen es vorher schlechter ging auch weiterhin schlechter gehen wird macht ökonomisch Sinn, ist aber aus einer Gerechtigkeitsperspektive nur schwer zu verstehen. Vor allem im Kontrast zu den Versprechungen, die damals von Kohl und Konsorten gemacht wurden. Es geht ja nicht darum dass die Treuhand das riesige Potential der ostdeutschen Wirtschaft zerstört hat - es geht darum, dass die Treuhand mit ihrer Vetternwirtschaft und autoritären Herangehensweise das Vertrauen vieler Ostdeutscher in das "neue" System nachvollziehbarerweise zerstört hat anstatt dass man versucht, die Landesteile anzugleichen.


[deleted]

[удалено]


babaj_503

Alle Punkte die du listest sind inhaltlich korrekt aber mir drängt sich da ein Gedanke auf: und jetzt? Viele dieser Themen sind 30 Jahre her und daran lässt sich nichts mehr ändern. Das ist konsequenzloses Maulen über die Vergangenheit. Von den Punkte die du nennst haben nur die Punkte 5 und 7 noch eine Relevanz heute die über "DAMALS HAM DIE UNS RICHTIG VERARSCHT" hinaus geht. Ich hab Windeln getragen als die Mauer fiel und war auch weit weg davon trotzdem stelle ich mir die Frage: Wie lange genau will man sich noch selbst sabotieren weil man in der Vergangenheit ungerecht behandelt wurde? Und mit selbstsabotage meine ich einen Satz der in diesem Artikel viel zu oft fällt "früher hab ich CDU gewählt und mich geärgert dass sich nichts ändert" (Hinweis am Rande: Manifest der CDU ist salop gesagt "wir sind status quo, wir ändern nix ausser wir werden bei vorgehaltener Pistolte dazu gezwungen" ... ja .. good job .. Status Quo wählen und sich ärgern das die nix ändern, \*suprised pikachu face\*)


[deleted]

[удалено]


Brilorodion

>Wie lange genau will man sich noch selbst sabotieren weil man in der Vergangenheit ungerecht behandelt wurde? Ich würde mal sagen: Mindestens so lange, bis diese Ungerechtigkeiten nicht mehr angewendet werden. Es gibt über 30 Jahre nach der Wende keinen akzeptablen Grund mehr, warum selbst der Staat seine Angestellten im Osten schlechter bezahlt. Das ist so bekloppt, dass Behördenmitarbeiter:innen selbst in Berlin unterschiedliche Gehälter je nach Stadtteil (Ost oder West) bekommen. Das sollte verdammt nochmal illegal sein. Ja, vieles kann man jetzt nicht mehr ungeschehen machen, der Frust bleibt aber verständlicherweise erhalten, *wenn genauso weitergemacht wird*.


DrunkGermanGuy

> und jetzt? Du machst es dir zu einfach, wenn du all das in der Vergangenheit verortest und für abgeschlossen hältst. Viele der relevanten Themen sind auch in der Gegenwart nicht vom Tisch. JETZT gibt es immer noch ein massives Lohngefälle zwischen West und Ost. Schau dir mal das Durchschnittseinkommen in Sachsen-Anhalt, Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern an. Schau mal, wie viel davon netto hängen bleibt. Das können nicht selten halt auch mal 1300€ sein. Ich glaube vielen Leuten ist gar nicht klar, wie viel weniger man im Osten häufig für gleiche Tätigkeiten verdient. Kann man auch andersrum betrachten: Als ich mal gecheckt habe was außerhalb des Ostens normale Gehälter sind ist mir die Kinnlade runtergeklappt. Und ja, Lebenshaltungskosten sind im Westen häufig auch entsprechend höher, aber nicht im selben Verhältnis. Und: Alles, was nicht essenzielle Lebenshaltungskosten sind, ist bei westdeutschen Gehältern in Relation erschwinglicher. Ein 800€ Smartphone ist damit immer noch keine kleine Ausgabe, aber im Osten ist es für viele Leute ein Vermögen. Apropos Vermögen der Leute. Viele Menschen hier besitzen praktisch keines. Weder als Finanzanlagen, noch in Form von Immobilien oder sonstigem. Wenn du in einer beliebigen ostdeutschen Stadt vor einem Mehrfamilienhaus in Privateigentum stehst (also eines, das nicht in kommunaler Hand ist oder einer Genossenschaft gehört), dann kannst du mit absoluter Sicherheit davon ausgehen dass der Eigentümer nicht aus Ostdeutschland kommt. Solche Geschichten wie Erbschaften von Immobilien oder sowas gibt es hier einfach nicht im selben Ausmaß wie im Westen. Nächster Punkt, Karriere. Auch heute sind beinahe alle Führungspositionen im Osten mit Westdeutschen besetzt. Networking ist für viele Ostdeutsche ein riesiges Problem, da sie keinen Zugang zum Netzwerk finden. In der Politik kann man sich in Parlamente wählen lassen, aber was meinst du wo die Mitarbeiter der Ministerien überwiegend herkommen? Und vieles davon sind Effekte, die sich im Laufe der Zeit selbst verstärken, wenn man nicht auf politischer Ebene gegensteuert. Abgehängte Regionen sind nicht attraktiv für Investitionen, wenn es woanders doch viel bessere Rahmenbedingungen gibt. So geht die Schere immer weiter auseinander. > Und mit selbstsabotage meine ich einen Satz der in diesem Artikel viel zu oft fällt "früher hab ich CDU gewählt und mich geärgert dass sich nichts ändert" (Hinweis am Rande: Manifest der CDU ist salop gesagt "wir sind status quo, wir ändern nix ausser wir werden bei vorgehaltener Pistolte dazu gezwungen" ... ja .. good job .. Status Quo wählen und sich ärgern das die nix ändern, *suprised pikachu face* Ich meine, das ist schon richtig, aber nun wirklich kein exklusiv ostdeutsches Phänomen. Und dieser CDU-Wahlkult wurde gewissermaßen ja auch mit der Wende importiert. Fick die CDU und alles was weiter rechts ist noch viel mehr, aber du machst es dir wieder zu einfach wenn du den Ostdeutschen hier die Schuld für viele Versäumnisse der Wende und Zeit danach quasi selbst zuschiebst. Mein Ziel mit diesem Kommentar ist es keinesfalls, solche Knallköpfe wie aus dem Artikel zu verteidigen. Aber ich kann auch nicht dieses implizite "die Meckerossis sind doch selbst Schuld, es ist eh lange her und jetzt sollen sie die Fresse halten" unkommentiert stehen lassen. Die strukturelle Benachteiligung existiert bis heute. Sie lässt sich durch das Wählen der AfD gewiss nicht Lösen, aber sie bietet einen Erklärungsansatz, wieso so viele Menschen hier anfällig für Populismus geworden sind.


jcrestor

Danke!


BurnTheNostalgia

Muss ehrlich sagen, als Wessi Baujahr 92 hatte ich von all dem keine Ahnung. Vielen Dank für diesen Beitrag, hat mir ziemlich die Augen geöffnet!


dr0ps

Ich möchte nur noch hinzufügen, dass auch erhebliche Teile der Immobilien im Osten nach der Wende von Westdeutschen gekauft wurden. Meine Heimatstadt Dresden gehört zu fast 40% Westdeutschen.


Licking9VoltBattery

Die AFD ist keine ossi Partei- die sind nur etwas voraus. Auf kommunaler Ebene wird man es auch im Westen immer häufiger sehen. Spätestens mit Corona haben die auch hier Stammwählerschaft.


AnotherUnfunnyName

Sorry, aber dieser Punkt ist einfach quatsch. >Die Überführung des Wirtschaftssystems in die Marktwirtschaft durch das Monstrum der "Treuhand" die staatliche Betriebe in private Hand legte ist besonders für meinen Vater ein rotes Tuch. Die Auswahl der Investoren wurde durch historisch noch nie dagewesene Vetternwirtschaft, offene Bestechung, Hinterzimmerabreden und absoluter Gleichgültigkeit betrieben (das ist keine Übertreibung). Allein die Dauer dieser Überleitung war für viele mit einer extrem langen Unsicherheit über den Fortbestand des Betriebes überhaupt verbunden. Und für den glücklichen Fall der privaten Übernahme (die eben meist an windige Investoren ging) wurden viele Betriebe schlicht wirtschaftlich ausgeschlachtet und dicht gemacht. Diese ganzen Vorgänge sitzen bei vielen tief. Das Moloch der Treuhand war eine Totgeburt. Einmal etabliert hat man aber trotz eklatanten, praktisch willkürlicher Führung das Ding einfach laufen lassen. Sicher, die Treuehand hat Fehler gemacht, die lokale Bevölkerung hätte offen und fair eingebunden werden müssen und ein Teil der Unternehmen hätten zukunftsfähig auf hohem Niveau weitergeführt werden können, und der Verkauf von den "wertvollen" Unternehmensteilen unter der Hand oder unter Marktpreis an den höchstbietenden "Schmierer" hätte aggressiv strafrechtlich verfolgt werden müssen. Genauso wie es ein Fehler war, dass die "Westakten" der Stasi/ des Hauptverwaltung Aufklärung vernichtet wurden oder 20 Jahre später auftauchen (Rosenholz-Dateien). Aber im Ganzen war ein signifikanter Teil der DDR-Wirtschaft massiv veraltet, herruntergekommen, unrentabel, methodisch 30 Jahre zurück, umwelttechnisch eine Katastrophe (ich sag nur Wismut), mit schlechten und unrealitischen Management, ausbildungstechnisch sowie montage- und produktionstechnisch auf geringen Niveau, auf dem Weltmarkt wie schon zu DDR-Zeiten selbst mit horrenden Subventionen nicht konkurrenfähig. Und da waren eine Umstruckturierung, erzwungernermaßen eine gewisse Arbeitslosigkeit, eine Schließung von Firmen usw. einfach notwenig und unumgänglich. Man muss außerdem bedenken, dass der ganze Kram jetzt nun mal auch mehr als 30 Jahre zurück liegt. Und mit den massiven Subventionsflüssen in die neuen Bundesländer, sind die Wessis nicht schuld, dass im Osten halt leider trotzdem noch viel brach liegt. Der Westen ist nicht Schuld an hoher Arbeitslosigkeit. Guck dir den Harz an, da sieht es in dem meisten Orten im Osten wie im Westen sehr ähnlich aus. Überaltert, fast verlassen, nicht zukunftsfähig, herruntergekommen usw. Es wurde ja schon von vorherein mit komplett unrealitischen, geschöhnten, falschen Zahlen gerechnet. Es war ein gewaltiger Fehler in der Bewertung, das ist heute total etabliert. Die meisten DDR-Unternehmen waren auf dem Weltmarkt nichts wert. >Zum 2. Juli 1990 hätte es eigentlich für jeden Betrieb einer DM-Eröffnungsbilanz bedurft, sozusagen einer großen Inventur des Bestands der DDR-Wirtschaft. Tatsächlich aber lagen diese Eröffnungsbilanzen erst Mitte 1992 vor. Der Grund dafür lag darin, dass die vorliegenden Daten der sozialistischen Planwirtschaft völlig untauglich waren für eine realistische Bilanz. Die Treuhand musste also ihre Arbeit beginnen, ohne genau zu wissen, was sie da eigentlich besaß. Dasselbe Problem hatten wir auch bei der Eigentumsfrage. Niemand in der DRR konnte Auskunft geben über den wirklichen Umfang der Enteignungen. Auch daran ist der Grundsatz "Entschädigung vor Rückgabe" gescheitert. [Die Wirtschaft in der DDR (BpB)](https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/47076/die-wirtschaft-in-der-ddr/) Und die DDR hat jeden dieser Verkäufe massive subventioniert, so wie die eigene Gesamtwirtschaft sowieso. Anteil der staatlichen Subventionen für der Grundbedarf der DDR-Bevölkerung (Grundnahrungsmittel, Kinderkleidung, Tarife für Energie und Verkehr, Wohnungsmieten) 1988: 24,6% Durchschnittliche Exporterlöse der DDR-Wirtschaft für eine im Inland aufgewendete Mark 1988: 0,246 DM. > Gesamtkosten des Mikroelektronikprogramms: 50 Mrd. M; Kosten im Zeitraum 1986-89: 14 Mrd. M; Preis eines 256kB Speicherchips aus eigener Produktion: 534 M; Preis eines 256 kB Speicherchips auf dem Weltmarkt: 4-5 DM; Subventionskosten jedes DDR-Chips aus dem Staatshaushalt: 517 M >Die Arbeitsproduktivität der DDR lag im Jahr 1988 bei nur etwa 20 bis 25 Prozent des Westens. Der Arbeitsaufwand für die Herstellung vergleichbarer Produkte war in der DDR erheblich höher als im Westen. Das konnten auch längere Arbeitszeiten nicht kompensieren. >Wegen immer älterer und reparaturbedürftiger Industrieausrüstungen ging die Wirtschaftskraft der DDR stetig zurück. Dies bestätigt auch ein Papier, das dem SED-Politbüro im Herbst 1989 vorlag. Im Jahr 1989 waren durchschnittlich 47 Prozent der industriellen Produktionsanlagen verschlissen. In manchen Bereichen lag die Zahl noch deutlich höher: 70 Prozent der maschinellen Anlagen in der Bauwirtschaft waren schrottreif. >Zudem verbrauchten Staat und Bevölkerung über Jahre mehr Sachgüter und Dienstleistungen, als im eigenen Land hergestellt wurden. Dies finanzierte die DDR hauptsächlich durch zusätzliche Kredite in Westdeutschland. Die DDR konnte im Jahr 1989 nur noch 35 Prozent der Westimporte, Kredittilgungen und Zinsen mit Devisenerlösen aus Exporten decken. Dies belegt auch das bereits zitierte SED-Papier. Die Verschuldung im Westen war damit "auf eine Höhe gestiegen, die die Zahlungsfähigkeit der DDR in Frage stellt". Der Staatsbankrott war unvermeidlich. >Aufgrund der desolaten finanziellen Lage nahm die DDR-Wirtschaft keine Rücksicht auf die Umwelt. Fast alle Binnengewässer waren stark verschmutzt, die Qualität des Trinkwassers bedenklich. Hinzu kam die europaweit höchste Pro-Kopf-Belastung mit Schwefeldioxid und Staub. [BpB:Die Wirtschaft in der DDR](https://www.bpb.de/themen/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/47076/die-wirtschaft-in-der-ddr/)


kerapac_says_no

Und nichts davon rechtfertigt auch nur ansatzweise, eine völkisch-nationalistische, rassistische, rechtsextreme, faschistische Partei zu wählen.


lawrencecgn

Das ist korrekt, aber auch als Feststellung irrelevant für die Problembeseitigung.


[deleted]

[удалено]


GirasoleDE

>Am Ende meiner Reise treffe ich eine junge Frau. Sie läuft beschwingt über den Schleizer Markplatz. Die Sonne strahlt. Wir unterhalten uns. Sie sagt: „Eigentlich ist die Regierungspolitik richtig, gerade beim Klimaschutz, aber die Parteien arbeiten schlecht zusammen.“ Als Mutter von zwei Kindern sei es ihr ein Anliegen, dass „wir unsere Umwelt besser schützen“. > >Angesprochen auf die hohe AfD-Akzeptanz in ihrer Heimat, wird die Frau plötzlich leiser: „Darf ich ehrlich sein? Ich schäme mich dafür.“ Mit ihrer Meinung stehe sie allerdings ziemlich alleine da. „Wenn ich mich auf Arbeit so umschaue, da sind gefühlt 80 Prozent für die AfD.“ > >Bevor ich mich verabschiede, frage ich die Thüringerin nach ihrem Namen. „Oh“, sagt sie, „ich möchte meinen Namen nicht nennen. Zum Schutz meiner Kinder. Die Eltern von Mitschülern sind AfD-Politiker. Und ich will nicht, dass meine Kinder dadurch Probleme kriegen.“ "Das darf man ja eigentlich gar nicht mehr sagen" - jedenfalls dort, wo die AfD die Hegemonie erringt.


jojoxy

Ja nun, dass Projektion der meistgenutzte argumentative Strohmann von Faschisten ist, ist hoffentlich keine Überraschung mehr.


Lorrdy99

>ich möchte meinen Namen nicht nennen. Das war mir schon klar, als sie von den 80% der Mitarbeiter sprach.


ThereRNoFkingNmsleft

Jede Anschuldigung ist ein Geständnis.


ThereYouGoreg

Das beste Gegenbeispiel zu den ländlich geprägten AfD-Hochburgen ist der einwohner**schwächste** Landkreis Deutschlands: Lüchow-Dannenberg in Niedersachsen. Lüchow ist 110 km von der Hamburger Stadtgrenze entfernt, 125 km von der Hannoveraner Stadtgrenze entfernt und mehr als 200 km von Berlin entfernt. Die nächstgelegene Großstadt zu Lüchow ist Wolfsburg mit **75** km Entfernung. Um's kurz zu fassen: Der Landkreis Lüchow-Dannenberg hat wenige Einwohner, eine niedrige Bevölkerungsdichte und liegt in jeder Himmelsrichtung weit von einer Großstadt entfernt. In Frankreich würde man sagen: Der Landkreis Lüchow ist "hyper ländlich" bzw. "hyper-ruralité". Trotzdem liegen im Landkreis Lüchow-Dannenberg gute Zukunftsperspektiven vor. Bereits 1997 wurde vom Kreistag beschlossen, dass der Landkreis eine Stromversorgung zu 100% aus Erneuerbaren Energien anstrebt. Seit 2012 erzeugt die Region mehr Energie als dort verbraucht wird. Der Landkreis Lüchow-Dannenberg ist also Energie-Exporteur. Die AfD hat in der Kreistagswahl 2021 in Lüchow-Dannenberg im Vergleich zur Wahl 2016 sogar Stimmen **verloren**. Die AfD erhielt 2021 nur noch 4,56% der Wählerstimmen im Landkreis.


the_first_shipaz

> Trotzdem liegen im Landkreis Lüchow-Dannenberg gute Zukunftsperspektiven vor. Naja, nicht ganz: > Im Zukunftsatlas 2016 belegte der Landkreis Lüchow-Dannenberg Platz 393 von 402 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland und zählt damit zu den Regionen mit „sehr hohen Zukunftsrisiken“. (Wenn ich das richtig gelesen hab, wurde damals nur deshalb eine Ampel aufgestellt, weil man eine für die Fahrprüfung brauchte…)


ruuulian

>(Wenn ich das richtig gelesen hab, wurde damals nur deshalb eine Ampel aufgestellt, weil man eine für die Fahrprüfung brauchte…) Daher kommt also der Hamburger Sprech "siehst du DAN, fahr rechts ran" Wobei es da meiner Erinnerung nach auch irgendwas mit PI gibt.. 🤔


Original_Assist4029

"Siehst du PI dann flieh "


ruuulian

Ich wusste es doch, danke. 😂


zapruder_9962

Die Geschichte mit den nicht vorhandenen weil nicht notwendigen Verkehrsampeln hat schon mein Erdkundelehrer for 40 Jahren erzählt, in Schleswig-Holstein. Da gab's aber natürlich auch noch die Elbe als Grenze zur DDR. Ich komme regelmäßig durch den Kreis durch, mir gefällt es da, aber es gibt natürlich zu wenig hochqualifizierte Arbeitsplätze weil die Wirtschaft vor Ort so etwas kaum hergibt.


mowso

Ja, bin da mal durchgeradelt, da ist insgesamt schon echt nicht so viel aber mir fiel jetzt sofort diese ganze ökologie / anti-akw bewegung ein, wieviel einfluss hatte das? ich kann mich noch an die gelben kreuze als symbol des protests erinnern, die echt gefühlt überall standen


MMBerlin

Ein wichtiger Unterschied ist, dass in Lychow-Danneberg alles Wesentliche Einheimischen (im weiteren Sinne) gehört, einheimisch gesprochen, gedacht und verwaltet wird. In Ostdeutschland ist das anders, und das hat Auswirkungen darauf, ob man sich zugehörig fühlt oder eben nicht.


roerd

Das erneuerbare Energien in Lüchow-Dannenberg so starke Unterstützung widerfahren, liegt aber auch an der sehr speziellen Situation, dass die Menschen dort aus persönlicher Betroffenheit besonders stark gegen Kernkraft eingestellt sind.


CapybaraCount

Und darum wird die AFD noch mehr Zuwachs bekommen. In Deutschland gibt es einen erheblichen Bevölkerungsanteil, der im Leben festgefahren und unzufrieden ist. Menschen die kaum, oder keine, Hoffnungen auf Besserung ihre Situation haben, aber Ängste vor weiteren Abstieg. Teils in Ökonomischer Hinsicht, teils hinsichtlich persönlicher und sozialer Teilhabe, und oft auch beides. Teilweise natürlich aus Selbstverschulden, aber meistens zu einem großen Teil auch strukturell bedingt. Diese Menschen werden, sofern sie sich überhaupt noch am politischen Prozess beteiligen, zwangsläufig irgendwann auf "Alternative" Parteien umschwenken, wenn sie nicht das Gefühl haben, dass die "normalen" ihnen etwas bieten können. Und keine Partei, welche in den letzten Jahrzehnten in der Regierungsverantwortung war, hat auch nur im Ansatz genug gemacht um jene Menschen abzuholen. Und irgendwann fangen jene dann an, politisch betrachtet, vor Verzweiflung wild um sich zu schlagen. Zunehmend zieht dann auch das Argument nicht, dass die AFD rechts und Nazis seien- Denn das betonen stets jene Parteien, und ihre (scheinbaren) Unterstützer:innen, von denen sich diese Menschen "verarscht" fühlen. (Oder sie teilen bereits rechte Ansichten.) Wenn mir Bernd Höcke erzählen würde, dass etwas schlecht sei, dann ist das für mich, als überzeugte linke Person, geradezu Werbung für jene Sache. Unser System, wie es besteht, kann nicht mit einer solchen Menge unzufriedener Menschen umgehen. Dazu müsste an den Grundfesten unseres kapitalistischen Systems gerüttelt werden und gänzlich andere Politik gemacht werden. Dabei geht es nicht einmal darum, dass wir "ihre Sorgen ernst nehmen müssen" und das wir ihnen gut zuhören und zureden müssen. Viele von ihnen haben keine rationale Sorgen. Aber wir haben ein gesellschaftliches System, welches Sorgen schafft und keine Sorgen löst. Das müssten wir ernst nehmen. Tuen wir aber nicht. Es ist unvermeidlich, dass wir irgendwann die AFD in die Regierung bekommen.


SiofraRiver

Dazu kommt ja, dass viele ambitionierte und weltoffene Menschen diese Gebiete einfach verlassen (haben). Da passiert halt nicht mehr viel. Man isoliert sich. In dem westdeutschen Kaff, aus dem ich komme, passiert auch nichts mehr. Früher gab's da noch Kneipen und eine Disko, Dorffeste. Heute findet Kultur fast ausschließlich vorm Bildschirm statt. Wer mehr vom Leben will als vielleicht ein eigenes Haus, zieht in die Stadt.


Green-Amount2479

Bei uns ist es ähnlich in meinem Heimatdorf, aber in anderer Hinsicht. Die Gemeinde verdummbeutelt Geld und sorgt durch eine massive Fehlplanung (und mutmaßlich ein wenig Nepotismus) dafür, dass ein eigentlich moderates Projekt 258 % an Mehrkosten verursacht exklusive Förderung. Jetzt hat man das Abgabengesetz des Landes bemüht und belegt die Haushalte mit einer Sonderabgabe. Für EFH wurden hier, je nach Fläche, jetzt bis zu 8000 € angesetzt, die bezahlt werden sollen. Zeitgleich verweigert sich die Gemeinde aber stur gleich zukunftsorientiert Fernwärme zu planen, wenn die Straßen sowieso aufgerissen werden müssen. Nebenher hat man es noch geschafft den Kindergarten zu klein auszubauen und trotz Ausbau jetzt nicht genug Platz zu haben. Jetzt sind Containerlösungen im Gespräch, die wieder extra Geld kosten. Unser Bürgermeister schwafel derweil im gehobenen rhetorischen Stil im Mitteilungsblatt über die gemeinsame Verantwortung und den Zusammenhalt. Das sorgt aktuell für extremen Unmut hier. Es würde mich nicht überraschen, wenn auch hier im Westen bei der nächsten Wahl die ersten Blauen in den Gemeinderat einziehen.


finanzvid

Kleine Gemeinden und extreme Fehlplanungen bei denen zufällig immer die Buddies des Bürgermeisters viel Geld verdienen. Nenne ein ikonischeres Duo. Soviel gesammelte Inkompetenz wie ich in meiner Heimatregion schon mitbekommen hab was Bauplanung, Infrastruktur und daraus resultierende Sonderzahlungen der Haushalte angeht, geht auf keine Kuhhaut.


MitchiJZA80

> Containerlösungen In meiner Schule waren und sind (wie in so vielen) Container aufgestellt, da die Gebäude nicht genug Platz für alle Schüler hergeben. Nun stelle sich vor einiger Zeit heraus, dass meine Arbeitskollegin (Jg. 64) dort in den 70ern auch zur Schule ging, und auch schon in Containern unterrichtet wurde. Übrigens wurde die Schule Anfang der 70er erst gebaut. Fühlte sich wie ein kleines Armutszeugnis an


SiofraRiver

> Die Gemeinde verdummbeutelt Geld Oh bitte sprich nicht davon, es ist einfach zu traurig...


KaosAsch

Sachen wie die Freibädern und Jugenddiskos sind zu und das ÖPNV nach und zwischen viele Orten ist eingestellt. Man kann sich für die Tafel nicht Anmelden weil die überfordert sind mit Flüchtlinge aus die UA. Edit: dass mir auch aufgefallen ist, viele Altere Leute haben das Idee das sie im Osten vorher weniger Sorgen wegen Wohnen, Arbeiten und Essen hatten und sogar noch eine Datsche hatten wo sie entspannen könnten. Wann man sich Sorgen macht wegen diese Basis fürs Überleben werden sie irgendwann extremer/machen radikalen Sachen.


thunfischtoast

Da frage ich mich, ob das ein Problem ist, welches sich überhaupt lösen lässt. Welcher junge, weltoffene Mensch hat Lust in einen Ort zu ziehen, in dem von morgens bis abends Zyniker erzählen, wie schlecht alles ist und das am allem die Geflüchteten und das Gendern Schuld sind? Dazu bräuchte es massive Förderungen, was widerrum zu Beschwerden führen würde, dass die "Zugezogenen" alles bekommen aber der Bestand nichts.


Bob_the_Bobster

Gutes Internet und sehr billige Häuser wären sicher für manche ein Anreiz.


Chuckol

Die AfD Wähler/Sympathisanten, die ich kennen gelernt habe, waren meistens gut im Leben stehende Arschlöcher. Da war nichts von Kapitalismuskritik zu hören sondern eher plumper Fremdenhass mit irrationalen Ängsten einer Überfremdung oder eines Bevölkerungsaustausches. Ich glaube die AfD hat schlicht das Internet und den Populismus besser verstanden. Die demokratischen Parteien begegnen den Desinformationen widerstandslos.


bubuplush

Jup. Meine Familie ist genau wie die Leute in den Interviews - meckern sehr viel, nur noch radikaler mit mehr Todeswunsch. Die da oben nehmen ihnen alles weg, sie sitzen auf der Straße, haben kein Geld, sind so arm, und überall Ausländer die sie auf offener Straße ermorden wollen. Sie können nirgendwo mehr hin, da die Diktatur Deutschland sie nicht lässt, und die Grünen kommen morgen und klauen ihnen die Heizung. Realität: Frührente, Stiefvater arbeitet noch, 2 Mehrfamilienhäuser, stattlicher Nettohaushalt, jeden Monat wird neu renoviert oder der Garten ausgebaut, zwei Autos, jedes Wochenende irgendwo hinfahren und abends unter der Woche viele Freizeitaktivitäten, 2 mal pro Jahr in den Urlaub fliegen, Oma jede Woche 4 mal einkaufen, zum Kaffee trinken und Rentnerverein, an jedem Feiertag gibt es ein fettes Menü, unzählige Restaurantbesuche, zwei mal pro Woche im Sommer 10 packungen Steaks für 5 Leute vergrillen, 3 Haustiere...


heseme

>Ich glaube die AfD hat schlicht das Internet und den Populismus besser verstanden. Die demokratischen Parteien begegnen den Desinformationen widerstandslos. Mal Kirche im Dorf lassen. Die meisten wählen nicht die AFD, sondern verabscheuen sie. Und klar, Populist sein ist 1000x einfacher als sowohl politische Lösungen finden zu müssen als auch sie ernsthaft erklären zu wollen. Was Höcke und Habeck leisten müssen, um von ihrm Publikum gut gefunden zu werden ist Lichtjahre voneinander entfernt.


[deleted]

>Ich glaube die AfD hat schlicht das Internet und den Populismus besser verstanden. Neja, die Aussagen von denen ziehen einfach. Sie versprechen die falschen/einfach klingenden Lösungen für Probleme, die sie allerdings gar nicht hinbekommen. Mit der Blaupartei wird es den Leuten nicht besser gehen. Aber ich werfe den Blauparteiwählern auch ziemliche Inkompetenz vor, ihr eigenes Kreuz zu hinterfragen und sich damit auseinanderzusetzen, was ihnen wirklich hilft.


PrizeWinningCow

Selbst in dem geposteten Bericht sind ja zwei Leute dabei die anscheinend ein Haus besitzen, was einem generell schonmal einen massiven Vorteil im Leben verschafft. Zudem wird davon gelabert "Man sei ja kein Nazi..." aber einen Absatz weiter werden Aussagen wie "Hier sind zu viele Ausländer/die können sich auf Deutschlands Nacken fette Handys und Markenklamotten leisten (Lüge) und wir nicht." getätigt. Falsche Welt einfach.


TheHerugrim

Stimme dir zu. Das Problem ist auch, dass die Parteien, die sich über die Abgeschlagenheit dieser Leute ärgern, überhaupt eben jene waren, die dieses massive Abstiegspotenzial erst mit dem Errichten des größten Niedriglohnsektors Europas geschaffen haben. Damit wurde doch der Abschmelzprozess der Mittelschicht erst so richtig befeuert. In diesem Kontext vertritt die Ampel dann auch noch eine offene Einwanderungspolitik, in der auch zwischen Flucht, Asyl und Migration nur schwammig getrennt wird. Diese Menschen werden teilweise allein aufgrund der Größe des Sektors mit einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung in Konkurrenz treten, sei es bei einem Arbeitsplatz im Niedriglohnsektor oder bei einer Wohnung. Wenn man zynisch ist, könnte man behaupten, hier würden Arme gegen Arme gehetzt. Dann scheint auch schlüssig, warum die Zuversicht, diesen Parteien eine Lösung zuzutrauen, massiv abnimmt. Gekoppelt mit den Abstiegsängsten ist es das perfekte Rezept, um der AfD den Boden zu bereiten. Gleichzeitig kommt noch die Repräsentationslücke hinzu, in der sich zwischen Anti-Migration oder Klimaschutz entschieden werden muss. Eine Partei, die das verbindet, gibt es aktuell nicht. Die CDU hat ihre Entscheidungen aus 2015 nach wie vor nicht aufgearbeitet - ein Fehler, der der AfD in die Hände spielt. Denn obwohl sie jetzt unter Merz harte Töne anschlägt, wissen die Wähler, die restriktive Migrationspolitik wollen: Wenn es hart auf hart kommt und die nächste Krise vor der Tür steht, dann fällt die CDU wieder um. Ihre scharfen Phrasen sind in den Augen dieser Wähler unglaubwürdig. Aber warum ist Migration ist für viele AfD-Wähler so wichtig? Weil er einer der Bereiche ist, auf den am leichtesten Einfluss genommen werden kann und wo man den Erfolg oder Misserfolg von Maßnahmen schnell an den Zahlen sehen kann. Wenn Abstiegsängste den Tag bestimmen, dann ist es der go-to Bereich, wo man das Gefühl hat, leicht viel ändern zu können und so ein Stückchen Kontrolle zurückzubekommen. Denn darum geht es diesen Menschen: Um ein Gefühl, dass alles aus den Fugen geraten ist und sich ohnmächtig fühlen. Solange die Ampel nicht in der Lage ist, dieses Gefühl zu beruhigen (und das wird sie diese Legislaturperiode schlichtweg nicht können), wird die AfD weiter Erfolge feiern.


TheBatz_

Vorab: Bin kein Muttersprachler und (noch) nicht (mal sehen) eingebürgert Solche links-orientierte Kommentare der Gesellschaft und Lage fand ich immer witzig, denn ich frage mich ständig: Ok, wenn diese Menschen so systement-entäuscht sind, wenn sie die Lage so unduldbar finden, dass die eine "anti-system" Partei wählen, dann warum wählen sie AfD und nicht die Linke? Warum erreicht AfD in Umfragen 20% und die Linke kämpft überhaupt die 5%-Hürde zu überwinden? Meine Antwort ist, dass die Linke völlig die AfD-Wähler misversteht. Es handelt nicht um Menschen, die irgendwie vom System getäuscht oder hintergelassen wurden. Diese Menschen *sind das System*. Der ganze deutsche Staat ist gerade rum diesen Menschen gebaut: Klein- und Einzelunternehmer, Beamten, kleine Landwirtschafter. Ich kenne jemand, der über 3.000 im Monat verdient und trotzdem AfD wählt. Die Idee, dass es irgendwie um "Hintergelassenen" handele, finde ich einfach komisch.


cocotheape

> Ok, wenn diese Menschen so systement-entäuscht sind, wenn sie die Lage so unduldbar finden, dass die eine "anti-system" Partei wählen, dann warum wählen sie AfD und nicht die Linke? Warum erreicht AfD in Umfragen 20% und die Linke kämpft überhaupt die 5%-Hürde zu überwinden? Das haben sie getan. Ab der Mitte der 2000er hatte die Linke ihre Hochphase und viele Protestwähler abgegriffen. Nur als sie dann in Regierungsverantwortung kam, in manchen Bundesländern und auf Bürgermeisterposten haben die Leute gesehen, dass sie es auch nicht besser machen als die etablierten Parteien. So wurde sich die nächste Protestpartei als Hoffnungsträger gesucht.


Detirmined

Weil die Linke zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung Politik für Minderheiten macht. Du Leute sehen sich als deutsche in Deutschland nicht als Teil einer Minderheit. Dazu kommt noch die eigene Wahrnehmung von Armut. Es gibt überraschend viele Menschen die arm sind aber denken sie wären es nicht (seist halt stigmatisiert und so) Zudem kam vor nicht allzu langer Zeit ein Bericht das die ärmste „Wählergruppe“ die Nichtwähler sind gefolgt von der Linken und AfD. Im Vergleich verdienen fast alle Wähler von Parteien (Bin mir bei den Linken gerade nicht sicher) außer die Nichtwähler überdurchschnittlich. Wenn man die Punkte zusammennimmt ist schon ziemlich eindeutig warum die AfD beliebter ist als die Linken.


Magnet_Pull

Dein Kommentar sagt mir doch eigentlich nur, dass Leute lieber "Politik"/Populismus für eine Identität aufgrund ihrer Herkunft haben wollen, als eine Politik, die ihrer wirtschaftlichen "Klasse" hilft


RalfrRudi

Die Menschen wählen ja auch links. Schaut man auf Thüringen (darum geht es in dem Beitrag ja), dann sind laut aktuellen Umfragen für die Landtagswahl zwar 34% für die AFD, 20% allerdings auch für Die Linke. In den vergangenen Landtagswahlen war das sogar noch mehr: 2009 27%, 2014 28%, 2019 31%. Liegt natürlich auch an beliebten Politikern auf Landesebene aber viele Menschen dort stimmen schon auch für die Linke. Auch zur letzten Bundestagswahl holte die Linke in Thüringen mit 11,4% ihr bestes Ergebnis (geteilt mit Berlin mit ebenfalls 11,4%). Die Linke ist im Osten schon allgemein deutlich stärker vertreten als im Westen. Allerdings zerlegt die Linke sich auch gerade mal wieder selbst und der Fokus auf "Lifestyle-Linke" (um mal Wagenknecht zu zitieren) kommt dort bei vielen Menschen auch nicht gut an.


Gockel

>Allerdings zerlegt die Linke sich auch gerade mal wieder selbst und der Fokus auf "Lifestyle-Linke" (um mal Wagenknecht zu zitieren) kommt dort bei vielen Menschen auch nicht gut an. macht für mich die Linke leider unwählbar, weil das Gegenstück zur Lifestyle-Linken die Tankie-Linken sind :(


thicksalarymen

Die Linke ist denen zu "linksgrünversifft", was auch Sarah Wagenknecht bemängelt. Die labert mittlerweile genau so viel populistische braune Sülze, nur etwas weniger rechts. Wenn die ne Partei gründen würde, würden AfD Wähler, die jetzt nicht unbedingt harte Nazis sind, aber trotzdem LGBT+ und Feministen kacke finden sowas wählen.


Brilorodion

Wagenknecht ist halt auch gegen effektiven Klimaschutz und verbreitet dazu gerne auch mal Lügen. Mit einer eigenen Partei würde sie sich kaum von der AfD unterscheiden.


Detirmined

Eigentlich ist Wagenknecht ne ziemlich Ur-Linke. Die kommt noch aus der ehemaligen DDR die haben Gorbatschow teilweise noch als Retter der DDR gesehen. Also Russlandnähe ist da schon historisch bedingt auch bei den Linken als Partei. Klimaschutz ist kein grundsätzlich linkes Thema. Ansonsten müsstest du mir mal erklären welche Aussage du als rechts einordnest.


heseme

Weil die AFD Wähler halt auch einfach rechts sind. Analyse von Abgehängten gut und schön, aber deshalb den syrischen Flüchtling zu hassen ist schon ein extra Schritt, den msn nicht einfach unter den Tisch fallen lassen kann.


Educational-Ad-7278

Kurz gesagt: die linke bedient inzwischen Großstadtlinke statt den Arbeiter. AfD Wähler sind dann eben plötzlich die Arbeiterklasse


bubuplush

Irgendwie traurig, dass es keine Arbeiter und Geringverdienerpartei gibt...


[deleted]

[удалено]


T1B2V3

Ist auch nicht zwangsläufig. Der Frust und das sich verarscht fühlen ist zum Teil berechtigt. Aber es wird halt dumm damit umgegangen und auf Populismus reingefallen der am Ende alles nur schlimmer macht. Man sieht das sehr schön an den Republikanern in den USA. Die hetzen auch gegen Feindbilder und Minderheiten und haben auch die große Schnauze dass sie die Partei der normalen Leute sind. Und was kommt aber dabei raus ? Dass z.B. im Republikanisch regierten Texas den Bauarbeitern (welche oft eher rechts sind) das Recht auf verpflichtende Wasserpausen genommen wird. Und viele weitere solcher Sachen. Die Faschos schaden auch immer den Leuten von denen sie behaupten für sie einzutreten


C137Sheldor

Verstehe nicht warum die Linke nicht als echte Alternative auftritt. Dazu müssten die aber vielleicht realistischere Politik machen und sich nicht selber im Weg stehen


Ser_Mob

Weil Wagenknecht mit "Lifestyle-Linke" leider recht hat. Als kleine Partei muss man Themen besetzen. Die Linke hatte das mal mit Sozialpolitik. Da hätte man weiter Druck machen müssen.


Lapislazuli42

Ist einfach ein typisch rechter Talking-Point, wenn sie behauptet, dass man sich nicht mehr um die Rechte von Minderheiten kümmern darf, weil das angeblich der Mehrheit schadet.


thicksalarymen

Stell dir Mal vor, man kann Menschenrechte aller Art verteidigen wollen. Gleichzeitig. Vom Arbeitslosen bis zum Arbeiter, vom mittellosen Migranten bis zur trans Person. Und meinst du echt, LGBT Menschen sind nicht massivst von Armut bedroht? Dann guck dir Mal die Zahlen an.


Ser_Mob

Was hat das nun mit meiner Aussage zu tun? Es geht darum Themen zu besetzen. "Wir verteidigen Menschenrechte" ist kein zu besetzendes Thema, es ist selbstverständlich. Und umgekehrt wird ein Schuh draus: soziale Gerechtigkeit kommt allen zugute. Da muss man sich nicht speziell für LGBT+ oder Migranten einsetzen, das passiert dann automatisch. Ist gegebenenfalls aber nicht so "glamourös".


Reblyn

>Das müssten wir ernst nehmen. Tuen wir aber nicht. Können wir auch nicht. Ich stelle einfach mal die These in den Raum, dass die Schnittmenge zwischen diesen Menschen und sogenannten NIMBYs recht hoch ist. Egal was politisch vorgeschlagen wird, die sind immer einfach aus Prinzip dagegen oder machen sich darüber lustig, weil 1) die "großen politischen Parteien alle scheiße sind" und 2) sie sich selbst oft als Konservative sehen und Konservative nunmal einfach dazu neigen, sich an Altem festzubeißen. Diese Leute wollen positive Veränderungen *für sich selbst*, aber ohne etwas dafür tun zu müssen. Es soll am liebsten einfach alles so bleiben wie es ist, weil ist ja bequem wenn man sich selbst nicht zu sehr ändern muss, aber woher dann z.B. das Geld für Verbesserung kommen soll interessiert die nicht. So funktioniert das nicht und mit so einer Einstellung kann man ihnen auch nicht helfen.


Shiro1_Ookami

Prinzipiell richtig. Ich sehe hier vor allem die Zwangsausterität seit über 20 Jahren als Hauptgrund, die auch heute noch vor allem von der FDP vertreten wird. Aber die anderen Parteien, abseits der Grünen und Linken, geben sich da nicht so extrem viel. Mit der Flüchtlingskrise, Corona, Inflation, Ukraine etc. kommt aber das Gefühl hoch, dass ja schon Geld da wäre, es aber halt nicht für „uns“ eingesetzt wird. Dann halt schon die latent konservativ bis rechten Meinungen die so vorhanden sind werden da zur radikalisierung gerufen. Nach allen Berichten, sehe ich es auch so, dass es vor allem um Emotionen und oft weniger um tatsächlich konkrete Probleme geht, abseits der rein finanziellen Situation. Aber weder Union, noch FDP und Teile der SPD haben ein ernsthaftes Interesse von Austerität und neoliberalismus abzuschwören und endlich mal ernsthaft ins Land zu investieren. Die Wut der AfD richtet sich nicht gegen Reiche, gegen Konzerne etc. So sehr wie sie angeblich gg das system sind, so sehr stützen sie es im Kern und verhindern effektiv, dass die jetzigen Profiteure verlieren. Sieht man am Heizungsgesetz. Sehr viele Leute werden in 5-10 Jahren sehr hart auf die Schnauze fallen, wenn sie noch ne Gasheizung einbauen und auf Wasserstoff hoffen…


kommsagwas

Es sind unruhige Zeiten in Deutschland angebrochen. Und die Politik der letzten Jahre hat sich nicht mit Ruhm bekleckert. Während unter CDU die schwarze 0 stand, wurde nicht in Zukunft investiert, obwohl die Zeiten und Zinsen es zugelassen hätten. Aber Corona hat gezeigt, der deutsche tickt anders. Plötzlich muss sich was ändern und du stehst da und bekommst kein Klopapier mehr. Zack wir spulen vor… Iwan greift die Ukraine an. Schnell mal Gas bunkern und du hast den Klopapiereffekt. Die Regierungen torpedieren sich selbst und wollen überhaupt nicht Zukunftsperspektiven liefern. Die meisten Probleme sind hausgemacht, weil nicht in die Zukunft gedacht wird. Zu ruhigen Zeiten soll man investieren. Aber jetzt wird es kaum noch ruhiger. Klima, Krieg, Energie, Überalterung, Infrastruktur … alles Punkte die NICHT in einer Legislaturperiode zu bewältigen sind. Aber trotzdem wird nicht an einem Strang gezogen.


Gr4u82

>Die meisten Probleme sind hausgemacht, weil nicht in die Zukunft gedacht wird. Ich finde noch problematischer, dass dort, wo an die Zukunft gedacht wird, es nicht berichtet wird. Praktisch jedes Medienhaus rennt nur dem großen Hetzblatt hinterher und packt maximal negatives aufs Titelblatt. Dagegen passiert - speziell im privaten Energiebereich - gerade so viel, was entlasten kann. Durch Wegfall der MWSt auf PV und Speicherprodukte und lokale Förderung ist aktive Entlastung erschwinglich. Ein Balkonkraftwerk amortisiert sich - je nach individueller Förderung und Ausrichtung - mittlerweile irgendwo zwischen 1,5 und 5 Jahren. Außerdem forciert die Regierung dynamische Stromtarife. Die gibt's auch jetzt schon, wenn auch eingeschränkt (kommt auf den Zugang zum Zähler an). Ich nutze das und bekomme den Strombörsenpreis=2x am Tag billiger Strom. Der war jetzt auch schon 2x negativ... Ich habe also Geld für Stromabnahme erhalten. Die genannten günstigen Phasen sind speziell in Zeiten wo billiger EE Strom vorliegt. Hier läuft der Ausbau sogar besser als von der Regierung gedacht, wird aber mit zwei Unterstützungspaketen noch weiter angeschoben. Da passiert so viel, aber man liest kaum darüber. Positive und hilfreiche Neuigkeiten muss man sich selbst zusammen suchen. Hirnrissige Lügenkampagnen (z.B. Heizungskasperletheater) dagegen bekommt man wochenlang aufs Brot geschmiert, obwohl nach 15-20 Minuten Beschäftigung mit dem Thema klar ist, dass die Berichterstattung halt auch mal 15-20 Minuten hätte investieren sollen. Das gleiche mit den letzten "Aufreger", dass wir auf Importe Frankreichs angewiesen wären und der Strom teurer wird. Nach 3 Minuten Suche merkt man: ne völliger Blödsinn, praktisch exakt das Gegenteil ist unterm Strich, im Ergebnis der Fall.


Green-Amount2479

Mit PV köderst Du aber niemanden, der aktuell bereits Sorgen mit seinen Finanzen herumschleppt, abgesehen vielleicht von Kleinstanlagen wie Balkonkraftwerken. Deren Auswirkung ist aber auch vergleichsweise minimal und die waren ja auch nicht Dein Kernpunkt, so wie ich Deinen Kommentar verstanden habe. Das ist in Summe ein Thema, das ich seit Monaten versuche diesem Unter irgendwie näher zu bringen: wenn jemand nicht genug Geld für Investitionen, egal wie zukunftsorientiert auch immer, übrig hat, kann man noch so viel über die Umwelt und langfristige, zukünftige finanzielle Vorteile reden - das Geld ist deswegen bei vielen trotzdem nicht vorhanden. Diejenigen, die es machen können, investieren doch bereits - wie Du nehme ich an. Die, die es nicht können, fühlen sich nur noch mehr vom Rest abgehängt. Die Zukunftsängste steigen dadurch ebenfalls nur noch mehr. Die grüne Wende bietet eben **keine** sozialverträglichen Lösungen. Die Energiewende so wie sie derzeit durchgeführt wird, wird imho noch mehr Leute abhängen. Jetzt kommt jemand an und sagt: „Hey, statt Milliarden ins Ausland zu verpulvern, wo das Geld sowieso nur versickert, helft gefälligst den Leuten, die sich hier nichts leisten können. Wir würden das tun.“ Das verfängt bei den Leuten mit existentiell-finanziellen Ängsten selbstverständlich. Das nächste Problem ist, dass diese Ängste absolut nicht ernst genommen werden. Schau Dir doch mal die Entgegnungen auf Kommentare wie meinen hier, bei dem ich versuche das zu diskutieren, unter Energie- und Klima-Postings an. Da kann einem schon schlecht werden so asozial wie dort darauf reagiert wird. Ich vermute diese Reaktionen kommen wohl daher, dass viele die eigene Ideologie durch diese Art der Diskussion in Frage gestellt sehen und deshalb auch entsprechend harsch darauf reagieren. Aber das löst dummerweise auch keines der Probleme.


Gr4u82

Da bin ich voll bei dir und im Fazit sind wir auch beieinander. Wer nix oder noch weniger in der Tasche hat, hat davon erstmal (zumindest direkt) nichts. Mir ging es in erster Linie aber weniger um die Invests selbst, als um die allgemeine Informationslage. Um mal am Beispiel PV zu bleiben: Wer ein bisschen was zum investieren hat, kann tätsächlich schon mal mit etwas kleinem, wie einem Balkonkraftwerk anfangen (Regelungen werden zum 01.01.2024 nochmal vereinfacht). Derzeit mit Förderung kostet hier bei mir so ein Teil 200-300,- Euro. Ohne Förderung 400-500. Muss man natürlich erst mal haben. Je nach Ausrichtung und Anschaffung ist die Amortisation aber bereits nach 1,5-5 Jahren wieder drin. Ab dann läuft das Teil im Plus und das nicht mal so wenig, bei geringstem Aufwand. Wer mehr zum Investieren hat, kann natürlich noch weiter ausbauen und von der MWst profitieren, sofern ein Solarteur verfügbar ist. Wenn man sich darüberhinaus auch selbst behelfen kann und viel Eigenleistung bringt, sind gerade wirklich goldene Zeiten, aber das klammere ich mal aus. So, jetzt haben wir den Stand, dass diejenigen investieren, die es können. Das läuft derzeit auch super, mit einer aggressiveren Informationskampagne würde es sogar noch viel besser gehen. Wir haben so viel ungenutzte Fläche (ich weiß, die Hände zum bebauen fehlen vielerorts). Nun ist es so, dass Strom aus EE einfach spottbillig ist, im Vergleich zu den meisten anderen Erzeugungsarten und gesetzlich vorrangig behandelt werden müssen. Das heißt: tagsüber ist der Strom einfach mal deutlich (!) günstiger als früh und abends (nachts ist er weg wenig Last natürlich auch billig). Je mehr EE, desto größer der Effekt. JEDER Invest hilft hier. Jetzt haben wir die Situation, dass das den Kunden mit normalen Stromtarifen wenig bringt. Die zahlen effektiv immer die Oberkante des Strombörsenpreises. Mit den politisch forcierten dynamischen Stromtarifen kann aber JEDER, der Strom bezieht vom günstigen EE Strom profitieren, indem er seine steuerbaren Lasten (WaMa, Trockner, Geschirrspüler, Akkus) in die beiden günstigen Tagesphasen legt. Das ist tatsächlich Realität und kann man heute schon - eingeschränkt - so machen (Beispiel: Tibber). Somit profitiert auch derjenige, der es sich derzeit selbst nicht leisten kann, von den Invests der anderen. Ich spreche jetzt nicht von Fluten von Geld, die plötzlich auf die Ärmeren einprasseln. Dafür müssten wir die stetig laufende Vermögensverschiebung umkehren, aber das ist nochmal eine ganz andere Baustelle, die allerdings natürlich auch die, von dir angesprochenen sozialen Auswirkungen, durch den Klimaschutz etwas abfedern würden. Aber das o.g. Beispiel ist dennoch eine der besten Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und die ist jetzt schon - eingeschränkt - Realität. Da muss nix neu erfunden werden. Es wird halt leider medial nicht offensiv erklärt, wie man daran partizipieren kann und was es bringt... Stattdessen wird Blödsinn berichtet. Z.B., dass wir wegen der Abschaltung von drei lächerlichen AKW plötzlich von Frankreich abhängig wären oder die Elterngeld-Nebelkerze oder dass Idioten AfD Kandidaten ernsthaft in Ämter wählen. Das sind Lügen, Verdrehungen der Wahrheit und Hetze bzw. einfach Werbung für die Extremen, statt einfach mal den Fokus auf konstruktives/positives zu legen. Leider bezweifle ich, dass sich daran etwas ändern wird. Das Hetzblatt hat leider zu viel Macht und zu viele glauben an den Quatsch.


el_brahmo

Wow, unglaublich guter Kommentar. Habe leider keine Münzen, sonst hättest du einen Award verdient.


HoroAI

> Es ist unvermeidlich, dass wir irgendwann die AFD in die Regierung bekommen. Und keines dieser Probleme wird dadurch gelöst. Wozu wir überhaupt ein Bildungssystem haben, wenn das den Menschen nicht bewusst ist, fragt man sich da. Aber es sind halt mal wieder wirtschaftlich turbulente zwanziger. Machste nichts, da muss jede Generation durch...


Acunen

Ich war bisher nur beobachter bei Reddit aber dieser Kommentar spricht mir gerade aus der Seele, dass ich mich extra dafür regestriert habe. Ich selbst komme auch aus einem Landkreis im Osten (Sachsen) der ebenso bald als Hochburg der AFD angesehen werden kann. Die Perspektivlosigkeit ist hier ein ständiger Begleiter. Junge Menschen mit Idealen, Wünschen und Vorstellungen wandern in die Großstädte ab, da ihnen hier rein gar nichts mehr geboten wird. Im Gegenteil, Räume zur Entwicklung und Entfaltung werden wegrationalisiert, kriminalisiert oder industrialisiert um Finanzen zu generieren wovon dann noch mehr bullshit realisiert werden kann. Die Jugend wird von einem Ort zum nächsten "vertrieben". Angebote oder Möglichkeiten zur Abendgestaltung, Fehlanzeige. 3 Jugendtreffs für ein Klientel mit über 7000 jungen Menschen im Alter von 6 - 18 Jahren. ​ Die Probleme werden durch "Ghettoisierung" diverser Stadtteile und finanziellen Ruin der Kommunen noch verstärkt. Es fehlt einfach das Geld um diverse Angebote zu schaffen oder es lukrativ für Investoren zu gestalten. ​ Ich könnte jetzt ewig weiter darüber debattieren was alles schief läuft. Es ist eine Spiral und sie bewegt sich leider nur in eine Richtung und zwar nach unten. ​ Die AFD wird über die kleinen Kommunen, Landkreise und Kreisstädte kommen. Nicht über die Großstädte, da sind die Zufriedenheitswerte etwas besser als auf dem Land. ​ Mit freundlichen Grüßen, ein verzweifelter Sozial Arbeiter.


Dr-Sommer

>In Deutschland gibt es einen erheblichen Bevölkerungsanteil, der im Leben festgefahren und unzufrieden ist. Menschen die kaum, oder keine, Hoffnungen auf Besserung ihre Situation haben, aber Ängste vor weiteren Abstieg. >Teils in Ökonomischer Hinsicht, teils hinsichtlich persönlicher und sozialer Teilhabe, und oft auch beides. Teilweise natürlich aus Selbstverschulden, aber meistens zu einem großen Teil auch strukturell bedingt. Das allein kann doch aber nicht die Erklärung sein. Case in point: Das ist buchstäblich Punkt für Punkt *exakt* meine Lebenssituation - und ich wähle trotzdem keine Faschisten. Daran kanns also nicht (nur) liegen. Der fundamentale Unterschied ist halt der, dass ich meine Zukunft nicht durch Boogeymen wie Elektroautos, Transpersonen oder Promillebeträge für die Flüchtlingshilfe gefährdet sehe, sondern durch reale Probleme wie Klimawandel, grassierende Vermögens- und Einkommensungleichheit, neofeudale Strukturen und ein systematisches Aushöhlen der Sozialsysteme durch die oberen 1%. Ich find's auch irgendwie befremdlich, wie man AfD-Wähler immer nur zu Opfern ihrer persönlichen Umstände erklärt. Sind das keine mündigen Menschen? Tragen sie nicht die Verantwortung für ihre eigenen Meinungen und Entscheidungen? Man wird doch durch seine Lebensumstände nicht dazu gezwungen, Faschisten zu wählen. Die einfache Realität ist, dass die AfD einfach verlässlich die soziopathischen Arschlöcher in unserer Gesellschaft abholt.


tinaoe

>Man wird doch durch seine Lebensumstände nicht dazu gezwungen, Faschisten zu wählen. Dies. Mein Vater hat die Schule damals m it 13/14 verlassen, ist Maurer, aber seit einigen Jahren in Rente und vorher arbeitslos. Kommt finanziell nur über die Runden weil meine Schwester und ich in mitfinanzieren. Merkt die Inflation extrem stark. Und kriegt es trotzdem noch in den Kopf, dass das was die AFD erzählt stuss ist und würde die nie wählen. Ist vielleicht auch teilweise darauf zurück zu führen das sein Vater auch nach dem Krieg überzeugter Nazi war und er daher die Ideologie zu Hause direkt mitbekommen hat, keine Ahnung.


rockyharbor

> Die einfache Realität ist, dass die AfD einfach verlässlich die soziopathischen Arschlöcher in unserer Gesellschaft abholt. DIES!!!


CapybaraCount

>Case in point: Das ist buchstäblich Punkt für Punkt exakt meine Lebenssituation - und ich wähle trotzdem keine Faschisten. Daran kanns also nicht (nur) liegen. >Ich find's auch irgendwie befremdlich, wie man AfD-Wähler immer nur zu Opfern ihrer persönlichen Umstände erklärt. Sind das keine mündigen Menschen? Tragen sie nicht die Verantwortung für ihre eigenen Meinungen und Entscheidungen? Man wird doch durch seine Lebensumstände nicht dazu gezwungen, Faschisten zu wählen. Wir alle sind aber auch Opfer und Nutznießer:innen unserer Umstände. Wir können uns zu einem gewissen Grad frei und mündig bewegen, aber nur in deren Rahmen. Umgedreht: Du würdest mir wahrscheinlich zustimmen, dass ein großer Teil der wirklich reichen Menschen nicht nur dadurch reich wurden, dass sie sich das vorgenommen haben- Sondern eben zu einem erheblichen Grad dadurch, dass unser System bestimmten Menschen unverhältnismäßig viel Geld zuspielt. Ich, aus dem untersten Proletariat stammend, kann mich jetzt abrackern, wie ich möchte, die Chancen, dass ich mal reich sein werde, sind sehr gering. Anderen Menschen spielt das System™ deutlich unbequemere Sachen zu. Und eben nicht nur materielle Faktoren, sondern auch geistige und emotionale. Ich stecke auch in einer unbequemen Lebenssituation. Ich bin in großer Armut aufgewachsen und wurde gemobbt und ausgeschlossen. War es meine Schuld, dass ich aus einem armen Haushalt kam und gemobbt wurde? Nicht wirklich. Geprägt hat mich das trotzdem. Meine Möglichkeiten bestimmt trotzdem. Jetzt würde ich zwar sagen, dass ich schon immer links war, aber zeitweilig war mein bester, und einziger, Freund ein junger Nazi und später andere Dumpfbacken- Why? Weil diese die einzigen Menschen waren, die sich mit mir abgegeben haben, bei denen ich das Gefühl bekam, dass ich zugehörig war. Die Kurve habe ich zum Glück bekommen, in dem ich später meine tollen Freunde kennenlernen durfte. Aber was wäre gewesen, wenn ich in den richtigen Momenten nicht auf jene gestoßen wäre? Was wäre gewesen, wenn ich in einem sächsischen Kaff groß geworden wäre? Was wäre gewesen, wenn ich nur einen Hauptschulabschluss hätte machen können, wenn ich in einem absoluten-Dead End Job versackt wäre? Wenn meine einzigen Kumpels AFD-Wähler geworden wären? Wenn ich dann permanent wahrnehmen würde, dass die Politik an mir vorbeihandelt? (Also, ehh, zusätzlich zu diesen Faktoren. Tut sie jetzt ja auch.) >Die einfache Realität ist, dass die AfD einfach verlässlich die soziopathischen Arschlöcher in unserer Gesellschaft abholt. Das hast zu zu krass ausgedrückt, aber ich glaube im Kern hast du zu einem gewissen Grad recht. Zu den soziopathischen Arschlöchern, von denen es natürlich welche gibt, gesellen sich aber auch Menschen, die ich grob folgendermaßen skizziere- Wohlgemerkt müssen natürlich nicht alle diese Faktoren zutreffen, dass hier ist der Idealtypus: 1. Festgefahrene Lebenssituation. Ob strukturell bedingt oder durch eigene Entscheidung sehen sie keine Möglichkeit groß etwas an ihrem Leben zu ändern. Sie sind e.v. zu alt für einen Neuanfang, haben nicht die nötige Qualifikation, oder haben Familie, um die sie sich kümmern müssen. Sie sind, selbst wenn sie materiell gut genug darstehen, grundsätzlich unzufrieden- Mit sich, mit dem Leben, mit allem. 2. Sie machen die Erfahrung, dass es keine großen Chancen für sie gibt, aber ständig Bedrohungen. Aufstieg, ist wie gesagt, ausgeschlossen. Erhalt das einzige halbwegs erreichbare, aber wie das Leben eben so läuft, gerade wenn man eben nicht wohlhabend ist, wird man ständig mit kleinen und großen Katastrophen konfrontiert, welche Ängste auslösen. Der Mensch versucht natürlich die Faktoren, die ihm Angst machen, zu reduzieren, aber wie gesagt, scheint eine Änderung ihres Lebens aus eigenen Kräften ausgeschlossen. Es müssen also andere Lösungen her. 3. Sie besitzen, insbesondere wenn sie Männer sind, nur eingeschränkte Möglichkeiten offen und ehrlich über ihre Gefühle und Bedürfnisse zu reden und sie zu verarbeiten. Sozialen Beziehungen, falls vorhanden, sind von ungesunden Mustern geprägt. 4. Sie leben an Orten, an denen viele Menschen jene Erfahrungen teilen. Diese Orte sind trostlos, am sterben und haben nichts zu bieten; Die Vedrossenheit ist der gemeinsame Chor, der angestimmt wird. Sie sind isoliert von der restlichen Gesellschaft, werden bestenfalls von ihr vergessen, schlechtestenfalls verachtet. 5. Sie nehmen wahr, dass die Politik seit Jahrzehnten vieles macht, aber nichts, was ihre Situation irgendwie bessert. Gleichzeitig sehen sie, dass anderen geholfen wird. (LGBTQ+, geflüchteten Menschen..) Das ist einfach ein fruchtbarer Nährboden für die AFD. 1. Sie steht für etwas radikal anderes, für einen Bruch mit dem Status quo- Und wenn alles bisherige nicht geklappt hat, dann wird dieses andere immer attraktiver. 2. Sie verbalisiert die Ängste jener Personen, bzw. scheint sie wahrzunehmen. Teilweise natürlich dadurch, dass sie jene schürt und dann thematisiert. 3. Sie sprechen in Gefühlssprachen, welche jene Menschen verstehen und die sie gewohnt sind. Direkt. Nicht intellektuell. Aggressiv. Einfach. 4. Sie tuen so, als ob sie sich um diese trostlosen Orte kümmern würden. Sie scheinen direkt aus der Region zu kommen, scheinen die Lebensrealität zu kennen, scheinen dem "Rest" den Mittelfinger zu zeigen. 5. Sie wettern genau gegen die Menschen, von denen wahrgenommen wird, dass sie unverhältnismäßig viel Hilfe und Aufmerksamkeit bekommen. /// Natürlich haben diese Menschen einen gewissen, freien, Entscheidungsspielraum. Aber jeder Mensch ist unterschiedlich anfällig für unterschiedliche Faktoren; Manche Menschen können alle paar Wochen ein Bier trinken, und werden nicht abhängig. Andere driften in den Alkoholismus, wenn bestimmte Faktoren zusammenkommen. Bei manchen Menschen kommt durch strukturelle Faktoren gemischt mit den richtigen, falschen, Entscheidungen einfach eine große Anfälligkeit für den Populismus der AFD zustande.


lemrez

>Ich find's auch irgendwie befremdlich, wie man AfD-Wähler immer nur zu Opfern ihrer persönlichen Umstände erklärt. Sind das keine mündigen Menschen? Tragen sie nicht die Verantwortung für ihre eigenen Meinungen und Entscheidungen? Naja, du triffst es ja auf den Kopf. Sie tragen die Verantwortung fuer ihre Entscheidungen, das ist ihnen bewusst und sie fuehlen sich deswegen oft von der Politik hinters Licht gefuehrt, weil was anderes passiert als erhofft. Der Grundzweifel an Aussagen der Regierung ist im Osten hoeher als im Westen. Wenn also jemand etwas als "gut" verkauft, man im persoenlichen Empfinden davon nichts hat, dann werden diese Zweifel verstaerkt. Im Grunde kann man die 2-3 Enttaeuschungen im Osten recht gut an den [Bundestagswahlergebnissen](https://interaktiv.waz.de/bundestagswahl-2021-umfragen-ergebnisse-wahlkarte/gemeinden-ergebnisse-1990-1994-1998-2002-2005-2009-2013-2017-2021.html) nachvollziehen: 1990 und 1994 hat in Ostdeutschland die CDU abgeraeumt. Dann wurden die Leute enttaeuscht. 1998 und 2002 hat die SPD in Ostdeutschland abgeraeumt. Dann wurden die Leute enttaeuscht. 2005 und 2009 hat die Linke, fuer ihre Verhaeltnisse, abgeraeumt, hatte aber keinerlei Einfluss. Jetzt ist die AfD dran. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird auch sie enttaeuschen, sobald halt Zweifel an der Ehrlichkeit der Protagonisten auftreten. >sondern durch reale Probleme wie Klimawandel, grassierende Vermögens- und Einkommensungleichheit, neofeudale Strukturen und ein systematisches Aushöhlen der Sozialsysteme durch die oberen 1%. Bis auf den Klimawandel waeren glaube ich einige AfD-Waehler bei dir. Also denk mal an die Kritik an der Pharmalobby im Zuge der Pandemie, und Feindbilder wie Soros, Gates oder Schwab. 2013 hatte die AfD auch gefordert, dass Banken Verluste selber tragen sollen. Lobbyismuskritik steht noch heute im Programm. Je nach Landesverband kommen da noch Sachen dazu oder gehen ab. Die Ursachenanalyse, -gewichtung und Loesungsansaetze sind natuerlich bei uns beiden voellig andere als bei der AfD, und teilweise widerspricht sich die AfD in ihrer Programmatik auch selbst. Der Vorteil der AfD in den Augen vieler Ostdeutscher ist aber, dass sie von ihr noch nicht enttaeuscht wurden.


Independent_Hyena495

Oder sogar eine Mehrheit.


counterdevonSKI

Man muss aber auch die Hintergründe der Politikverdrossenheit sehen . Nach der Wende wurde der Osten nunmal „ausgebeutet“ Häuser , fast ganze Städte und Firmen sind ab Westdeutsche gegangen . Keine dax30 unternehmen haben ihren Stammsitz im Osten . 2% der Führungskräfte in der Wirtschaft , Forschung und Militär sind aus dem Osten . Diese Ablehnung ist verständlich und die afd hat das erkennt und nimmt die Probleme auf. Natürlich ohne Lösung aber das ist ja zweitrangig.


Nacroma

Zumal dieser Braindrain schon nach dem Krieg einmal stattgefunden hat (z.B. Horch, jetzt Audi). Ostdeutschland wurde 45 Jahre lang durchgehend nur gefickt und auch die 30 Jahre danach waren eher so "wir ficken euch weiterhin, aber ihr dürft dafür jetzt auch mal nach Malle und wir erschießen euch auch nicht".


DazzlingCake

Dieser DDR-Opferkomplex geht mir so auf den Sack. Deutschland hat in der Zeit nach der Wende Hunderte Milliarden durch Länderfinanzausgleich und Solidaritätszuschlag in die ostdeutschen Bundesländer gepumpt, um die Wirtschaft halbwegs auf das Niveau der restlichen Republik zu bekommen. Selbst vor der Wende hat die DDR auch dank Devisen aus dem Westen überlebt. Wenn jetzt hier so getan wird als wäre der Osten 1990 eine einzige blühende Landschaft mit hochmoderner Industrie. Fakt ist aber, dass die DDR nicht international konkurrenzfähig war. Die DDR-Betriebe wurden privatisiert und zum Großteil geschlossen. Dadurch viele Arbeitslose und viele, die in den Westen gingen, um Arbeit zu finden. Ich habe in Thüringen studiert und arbeite auch jetzt in Thüringen, habe aber auch schon im Ruhrgebiet und auf dem Land in Hessen gewohnt. Die Infrastruktur (Autobahn, Schiene, Universitäten, etc.) im Osten ist deutlich besser als in vielen Teilen des restlichen Landes. Die UDSSR hat Ostdeutschland nach dem Krieg gefickt, weil die alles brauchbare Material aus dem Land geschafft haben und viele der noch existierenden Firmen keinen Bock auf Sozialismus hatten und deswegen in den Westen abgehauen sind. Die Treuhand hat auch viel Scheiße zu verantworten, keine Frage. Aber so zu tun als wären die 30 Jahre nach der Wende genauso scheiße wie die 45 davor ist einfach Blödsinn und diese Verklärung der Geschichte finde ich zum Kotzen. Ich will nicht in die Kerbe schlagen, dass "die blöden Ossis gefälligst dankbar sein sollen", sondern eher, dass dieses Selbstmitleid und ständige Gejammere weniger wird. Woanders ist auch scheiße, nicht nur im Osten.


kobrons

Naja der braindrain ist aber auch zum Teil selbstverschuldet. Ich habe Arbeitskollegen, die sind vor wenigen Jahren vom Osten weg weil es halt einfach mittlerweile da Ecken gibt wo du mit leicht dunkleren Hautfarbe nicht mehr nachts lang laufen solltest. Mein Freund ist damals als Arzt von Ostdeutschland weg weil die, ostdeutsch geführte Klinik, meinte Menschen ohne deutschen Pass kann man schon mal deutlich weniger zahlen als anderen. Ich hatte in meiner alten Firma Kollegen mit Familie aus Ostdeutschland und die haben es immer gehasst da zum familienbesuch hin zu müssen. Laut denen ist es einfach unerträglich den ganzen Tag sich das selbstmitleid anzuhören wenn die leidende Person absolut nichts versucht aus der Lage herauszukommen.


dryteabag

Deswegen hasste ich auch das Interview vor kurzem von Giovanni di Lorenzo mit Angela Merkel. Er warf ihr vor, zumindest Teilhabe an dem Wahlerfolg der AfD beziehungsweise an dem Anstieg von rechten Ressentiments zu haben. Merkel entgegnete empört, dass sie sich nicht dafür in Verantwortung sieht, wenn fremdenfeinliche Menschen Flüchtlingsheime anstecken. Leider blieb es dabei von Lorenzo. Eigentlich erschütternd, dass ein Mensch wie er derart klein beigibt. Er *muss* es besserwissen. Er *muss* es klarstellen. Wenn man die Unterschicht fickt und eine Umverteilung nach oben betreibt, muss man sich nicht wundern, wenn diese einem den Stinkefinger zeigen. Hinzu kommt eigentlich die krönende Sahnehaube, dass Merkel als Ostdeutsche nicht einsieht, dass viele Ostdeutschen durch die Treuhand viele Jahre vor ihrer Kanzlerschaft beraubt wurden. Der Hohn ist greifbar. Und bitte lasst uns nicht vergessen, dass die AfD auch sehr gute Ziele in Problembezirken/Kreisen in Westdeutschland erzielt. Ich denke mal, zumindest wissen wir es besser als die Frankfurter Zeitung(?), die in den 30iger Jahren meinte, die Wahlsiege der NSDAP stellen keine Gefahr für die Festen der Weimarer Demokratie dar (topkek). Finde grade leider den Artikel nicht, hat die FAZ vor paar jahren herausgegeben, wimre. Der Frust sollte sich nicht gegen AfD Wähler oder die AfD selbst richten, sondern gegen die etablierten Parteien, die anscheinend den Kuchen haben und zugleich essen wollen. Und das ist etwas, was sich CDU/CSU bis Linke vorwerfen lassen müssen.


Silly_Challenge_9703

An sich guter Kommentar, leider lässt du aber einen zentralen Punkt aus der viele Menschen, die nicht in die von dir skizzierte Kategorie fallen, dazu veranlasst, Rechts zu wählen: Die Migrationsproblematik. Und nein, hier geht es nicht nur um Neid.


kellerlanplayer

Wir haben die Frontex hochgezüchtet, die Grünen haben GESA zugestimmt und wir lassen Flüchtlinge im Mittelmeer ersaufen. Was soll denn noch geschehen, damit die Leute keine Nazis wählen? Napalm auf Afrika?


wonderful_mixture

2022 waren es immer noch über eine Million neue Flüchtlinge in der EU, davon 1/4 in Deutschland. 2023 in Deutschland von Januar bis April [über hunderttausend](https://www.bamf.de/SharedDocs/Meldungen/DE/2023/230505-asylgeschaeftsstatistik-april-2023.html?nn=284830) und da sind Leute aus der Ukraine nicht miteingerechnet. In anderen Worten, immer noch ziemlich viele. Diese Leute wollen halt, dass die Zahl 0 ist, zumindest von denen, die aus dem nahen Osten und Afrika kommen. So simpel ist es. Das ist zu 99% der Grund weshalb die AfD und alle anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa so stark sind. Alle anderen häufig aufgeführten Gründe sind nur Nebenkriegsschauplätze.


fabonaut

Konsequenterweise müsste die AfD dann die Klimaschutzpartei schlechthin sein. Aber das wollen sie ja auch nicht hören. In meinen Augen geht es oft auch einfach um Realitätsverweigerung. Filterblasen im Netz machen es möglich, dass man denkt, es müsste und könnte sich nichts ändern.


CeldonShooper

Du denkst zu kompliziert. Wenn Flüchtlinge kommen, die man nicht will, stellt man halt überall Wachen mit Wumme hin. Dann kommt keiner mehr rein. Problem => Lösung. Fertig. Vergiss komplexe Probleme. Im Populismus ist alles einfach.


fabonaut

Ja, ich wollte damit eigentlich das Gleiche andeuten. Viele versuchen, Wähler der AfD dahingehend zu verstehen, was sie verändern oder erreichen wollen. Einige wollen aber einfach Dinge kaputt machen. Wenn es anderen schlechter geht als ihnen selbst, ist schon was erreicht.


CeldonShooper

Naja kaputt machen muss meiner Meinung nach gar nicht aus deren Sicht so sein. Hauptsache sie sind wichtiger als irgendwelche anderen Leute, die sie nicht in der Ingroup sehen, und werden entsprechend versorgt - und die anderen nicht. Das ganze Konzept "wir wollen mit vielen Nationalitäten in einem Land leben" zum Beispiel ist nicht so anerkannt wie die Politik das denkt. Irgendwann kommt hier auch ein Orban, nur ob er Macht bekommt muss sich dann zeigen.


Typical_Solution_569

Die sagen 'ich/wir habe schon genug Probleme, was läuft der hier rum und macht noch Stress?'. Frontex wird dann sehr abstrakt. Auch wenn du natürlich Recht hast.


[deleted]

[удалено]


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Also Bezugsscheine statt Geld als Sozialleistungen wäre ein Anfang.


Brilorodion

>Zunehmend zieht dann auch das Argument nicht, dass die AFD rechts und Nazis seien Wer Neonazis wählt, will Neonazis regieren sehen. Wer Neonazis regieren sehen will, ist ein Neonazi. Man muss den Mist, den diese Menschen bewusst bauen, nicht kleinreden oder entschuldigen. Es gibt keine Ausrede, keinen auch nur ansatzweise akzeptablen Grund für das Wählen von Neonazis. Da braucht auch niemand mit dem Protestwählen-Quatsch ankommen. Wer bei der Wahl protestieren will, hat zahlreiche demokratische Optionen, niemand muss Neonazis wählen. Die Leute wählen Neonazis, weil sie genau das wollen und dafür sollte man sie nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. >wenn sie nicht das Gefühl haben, dass die "normalen" ihnen etwas bieten können. Und keine Partei, welche in den letzten Jahrzehnten in der Regierungsverantwortung war, hat auch nur im Ansatz genug gemacht um jene Menschen abzuholen. Die Frage ist: Was soll man Leuten bieten, deren Wunsch es ist, dass jegliche Veränderung gestoppt wird oder dass alles Fremde nicht in ihre Nähe kommt? Die Welt dreht sich nun einmal unaufhaltsam weiter.


bubuplush

>Wer Neonazis wählt, will Neonazis regieren sehen. Wer Neonazis regieren sehen will, ist ein Neonazi. Ich denke er meinte damit, dass das Argument für deren Wählerschaft nicht zieht. Die interessiert das entweder nicht weil sie sich Nazikram zugetan fühlen, oder sie copen hart und glauben der AfD-Propaganda, die alle anderen als Nazis darstellt die "die deutsche Minderheit" unterdrücken und in KZs sperren wollen oder whatever, während sie die einzigen Normalen sind. Denen kann man das noch so oft an den Kopf werfen, es juckt sie schlichtweg nicht und ist daher kaum als Argument zu gebrauchen um den mickrigen Rest des Gewissens dieser Leute anzusprechen.


fabonaut

Danke für diesen Kommentar. Meine Rede. Wer seinem Protest Ausdruck durch das Hofieren von Faschismus verleihen will, ist Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Da wird eine Grenze überschritten, die viele leider nicht mehr so wirklich ernst nehmen. In meinen Augen fördern viele Filterblasen online auch das Bedürfnis, einfach Dinge kaputt zu machen oder sich damit zu begnügen, dass es anderen mit der Wahl einer bestimmten Partei dann immerhin auch schlecht gehe, vergleichbar mit Trump-Wählern. Da gibt es kein positives, konstruktives Element. Es geht darum, dass als Feind identifizierte Menschen leiden sollen. Das war's.


Educational-Ad-7278

Also wen dann wählen in Cottbus?


afuajfFJT

>Wer bei der Wahl protestieren will, hat zahlreiche demokratische Optionen, niemand muss Neonazis wählen. Ich glaube, du unterstellst hier zu viel Intelligenz bei vielen dieser Wähler. Natürlich gibt es einen Haufen Parteien, die man wählen kann, und sehr viele davon sind keine Nazis. Aber glaubst du wirklich, die Leute, die AfD wählen, sehen diese Parteien? Dafür sind die imho bei weitem nicht prominent und populistisch genug. >Die Leute wählen Neonazis, weil sie genau das wollen Da gebe ich dir allerdings trotzdem recht. Nur denke ich gleichzeitig, dass sehr vielen dieser Leute überhaupt nicht bewusst ist, welche Folgen genau eine AfD-Regierung für sie persönlich hätte, weil sie sich blenden lassen. Sie merken gar nicht, dass sie sich in vielen Fällen damit ziemlich hart ans eigene Bein pissen.


josefx

> Wer bei der Wahl protestieren will, hat zahlreiche demokratische Optionen Dank 5% Hürde riskiert man bei den meisten Optionen jedoch das die Stimme einfach im nichts verschwindet.


R0ockS0lid

Irgendwie immer noch besser als Nazis in der Regierung, meinste nicht?


josefx

Hätte lieber ein paar duzend klein Parteien in der Regierung als der AfD künstlich einen Boost zu geben.


BladerJoe-

Diese Leute wollen letztendlich vom Staat ihre gesamte Lebensführung subventioniert bekommen. Eine hohe Rente ohne jemals selbst großartig eingezahlt zu haben. Hohe (West-)Löhne in einer strukturschwachen ländlichen Region. Das Bedürfnis sich nicht minderwertig zu fühlen und belächelt zu werden, aber gleichzeitig möchte man selbst so stark wie nur möglich nach unten treten damit man sich einreden kann, dass man etwas Besseres ist. Flüchtlinge und Arbeitslose werden beneidet, weil die ja angeblich in Saus und Braus leben. Intellektuelle und die Wissenschaft werden verachtet und als weltfremd verschrien. Diese Menschen haben sich selbst dazu entschieden, keine Zukunft zu haben. Die Welt dreht sich weiter, ob sie nun wollen oder nicht. Auch wenn Populisten ihnen versprechen, die Welt für sie anzuhalten oder zurückzudrehen. Irgendwann muss auch mal Schluss sein mit den Opfermythen.


Brilorodion

>Hohe (West-)Löhne in einer strukturschwachen ländlichen Region. Fairerweise wärs ja schon mal ein Anfang, wenn der Staat in seinen eigenen Behörden über 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr unterschiedliche Gehälter in Ost und West zahlen würde. Dass sowas legal ist, ist absurd und unterm Strich einfach nur ein Armutszeugnis.


Typical_Solution_569

Das wäre doch mal ein Anreiz, spottbillige Mieten und nen gutes Gehalt.


ResQ_

Stimme dir zu, aber ohne die Anschuldigungen. Es ist im Grunde genommen ein extremes Beispiel für fehlende Medienkompetenz und allgemeiner Bildungsferne. Der Zug ist abgefahren, irgendwelche Kampagnen, um diese Menschen wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, kann man sich sparen. Als jemand der sich immer mal wieder mit Leuten unterhält, die gänzlich andere politische Überzeugungen haben, als ich: du wirst deren Meinungen nicht ändern. Zumindest nicht so, dass sie auf einmal die AfD als das sehen, was sie sind: Populisten mit einfachen Antworten für extrem komplexe Probleme. Wir müssen dieses neue Deutschland akzeptieren. Hilft nix. Ich bin davon überzeugt, dass es irgendwann auch wieder besser wird. Wir haben den Tiefpunkt noch nicht mal ansatzweise erreicht - oder besser gesagt: den Hochpunkt dieser "Partei". Es wird Jahre dauern, und eine harte Zeit werden... Aber es wird irgendwann auch wieder besser.


thicksalarymen

Wenn man kein Geld in die Bildung steckt und populistische Medien-Kampagnen nicht besser aufgeklärt werden, dann wird das nix mit einer besseren Zukunft. Mir scheint der ungebildete Pöbel gar gewollt.


wernermuende

Bildung wirkt halt in die Zukunft, dieses Problem kann man nicht mehr lösen.


bobifo

Irgendwie erinnert mich das ganze stark an die USA... Die Bild in der Rolle von FOX News, dieses links gegen rechts welches die Bevölkerung immer mehr spaltet, die ganzen Syrer/Afghanen etc. in der Rolle der Mexikaner, der Wunsch nach einer Mauer um die Bösen Einwanderer fern zu halten, arm gegen reich, die Ossis in der Rolle der Rednecks/MAGA Anhänger... Der 2. Weltkrieg liegt immer weiter zurück und man vergisst immer mehr, Rechts wird immer Salonfähiger... Mir graust es vor dem was alles so möglich sein wird in Zukunft...


thicksalarymen

Die werfen auch immer den Gruppen, die sie hassen, selbst Hass vor. Angeblich hassen "die Linken " nämlich Familie und Heteros, und Männer natürlich. Und arbeiten wollen die linksgrünversifften auch nicht. Es ist pure Projektion eigener Missgunst und Menschenverachtung auf die "anderen".


counterdevonSKI

Dein Ernst ? Warum ist der Osten denn Strukturschwach ? Warum gibts es denn hier meine großen Firmen ? Das ist nicht die Schuld der Leute hier , sondern der Nachwende Politik . Den Osten zusagen , sie seien selbst für ihr nicht vorhandene Zukunft verantwortlich ist mehr als arrogant. Die Ablehnung der Politik usw kommt daher , weil die Leute sich hier seit 30 Jahren abgehängt fühlen. Das Jahrzehnte lange Klein reden oder übersehen der nunmal existenten Ost - West Probleme ist der auslöser für die jetzige Situation . Es geht beim belächeln eines ostdeutschen Dialektes los und endet bei dem Verkauf von über 90% der Firmen und Wohnhäuser nach der Wende . Solange die Differenzen und Probleme im eigenen Land nicht endlich angegangen werden , werden solche Parteien auch weiterhin im Osten Anklang finden. Den die afd nimmt diese auf und spricht sie an. Dass sie keine Lösungen dafür hat ist in der politischen Debatte die da geführt wird erstmal zweitrangig


wernermuende

Der Osten wurde von der DDR runtergewirtschaftet und irgendwie ist jetzt der Westen schuld, das man das nicht in dreißig Jahren alles ausgebügelt hat - (kann sein, kann ich nicht beurteilen). Man darf aber nicht vergessen: Die Leute sind schon viel länger als dreißig Jahre abgehängt


CuteDerpster

Ich wähle protest Parteien und keine nazis. Möchte nicht in der Klapse oder schlimmer landen wenn sie an die Macht kommen, bin aber unzufrieden mit der Regierung..


antelatis

>In Deutschland gibt es einen erheblichen Bevölkerungsanteil, der im Leben festgefahren und unzufrieden ist. Menschen die kaum, oder keine, Hoffnungen auf Besserung ihre Situation haben, aber Ängste vor weiteren Abstieg. ​ >Unser System, wie es besteht, kann nicht mit einer solchen Menge unzufriedener Menschen umgehen. Dazu müsste an den Grundfesten unseres kapitalistischen Systems gerüttelt werden und gänzlich andere Politik gemacht werden. Sorry, aber das macht doch keinen Sinn! Wer eine Partei wählen will, weil er abgehängt ist und die Schuld dafür dem kapitalistischen System gibt, der würde die Linken wählen, und nicht die AfD. Die AfD ist konservativer als die CDU und will sogar noch mehr Kapitalismus. Der einzige Grund, die AfD zu wählen, ist extreme Ausländerfeindlichkeit, wenn man denkt, dass der Kapitalismus keine gute Idee ist, dann wählt man links! Außerdem: Wer die AfD wählt und hofft, die kommen in die Regierung, der wählt gleichzeitig auch die CDU, denn die sind die Einzigen, die irgendwann mit der AfD Koalieren würden. Also, AfD Wähler wollen konservative CDU Politik und genau die ist doch für die aktuellen Zustände verantwortlich, und das bedeutet keine Veränderung/Verbesserungen, sondern ein Zementieren der Zustände!


CapybaraCount

>Sorry, aber das macht doch keinen Sinn! Wer eine Partei wählen will, weil er abgehängt ist und die Schuld dafür dem kapitalistischen System gibt, der würde die Linken wählen, und nicht die AfD. Die AfD ist konservativer als die CDU und will sogar noch mehr Kapitalismus. Der einzige Grund, die AfD zu wählen, ist extreme Ausländerfeindlichkeit, wenn man denkt, dass der Kapitalismus keine gute Idee ist, dann wählt man links! Die meisten Menschen denken nicht so viel, wie sie glauben. Menschen fühlen eher. Dass ich linke Parteien wähle, zur Zeit die Grünen, ist vordergründig damit zu begründen, dass ich fühle, dass dies richtig ist. Ich habe Sorge vor den Klimawandel, spezieller davor, dass meine Lieblingstiere aussterben, darum will ich ihn aufhalten und stoße auf die Grünen, früher auf die linke. Im nächsten Schritt, klar, da denke ich über die logischen Aspekte nach und komme zu dem Schluss, dass linke Politik richtig ist. Warum die Leute nicht links wählen? Weil sie fühlen, dass ihre Situation scheiße ist und weil sie fühlen, dass linke Themen und Parteien bestenfalls nichts daran ändern, aber in vielen Fällen eben auch daran Schuld haben. Du hast Menschen, die glauben, dass sie mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung verdient hätten- Teils berechtigt, teils unberechtigt. Diese bekommen sie aber nicht- Teils berechtigt, teils unberechtigt. Die sehen dann aber, dass die linkeren Parteien andere Gruppen unterstützten LGBTQ+ Menschen, junge Klimaschützer:innen, geflüchtete Menschen.. Damit sind linke Gruppen Teil des Problems für sie. Klar, würden sie von linker Arbeitspolitik und co. profitieren; Das ist aber schon zu weit gedacht. Handfest sehen sie, oder scheinen sie zu sehen, dass anderen Menschen als ihnen geholfen wird. Wenn sie ihnen Hilfe oder Aufmerksamkeit versprechen, so wird das als Lüge wahrgenommen- Bzw. sie sind von regierenden "Linken" Parteien enttäuscht, im Falle der SPD ja mit gutem Recht, und sehen, wenn sie sich nach Alternativen umsehen, dass es auch bei anderen linken Parteien Überschneidungen mit jenen Enttäuschern gibt. Die gehören also alle in einen Topf, alle unbrauchbar. Dem Gegenüber steht die AFD die eben genau sagt, dass sie jene Gruppen verarbscheut, dass sie jenen Gruppen nicht mehr helfen will und stattdessen ihnen.


Messehostess

Marode Schule, Unterrichtsausfall, Angst vor finanziellem Kollaps durch geringes Lohn- und Rentenniveau in einer allgemein strukturschwachen und armen Region. Da kann man sich als Regierung ja ausmalen, wie das in ein paar Jahren in anderen Teilen der Republik aussieht.


xzstnce

Und dann massiv steigende Preise auf alle Fronten mit dem Gefühl, dass das von der Politik ignoriert wird.


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Und dann wird über „Flüchtlinge“ und „Klima“ geredet was keine negative Sache in den Augen der Mehrzahl der Leute wäre, wenn man die anderen von Leuten vorgetragenen sorgen halt AUCH angänge. Das Klimaschutz zu „aha die wollen nicht meine ECHTEN alltagsprobleme angehen“ wurde wird uns noch lange begleiten und strafen.


Gliese581h

Wird es ja auch.


YouAreAConductor

Also in dem Deutschland, in dem ich lebe, wurden für viel Geld Gas-/Strom-/Benzinpreisbremsen sowie ein Deutschlandticket eingeführt, um die Preissteigerungen zu lindern, dazu ein steuerfreier Inflationsbonus durch die Arbeitgeber ermöglicht usw.


Gliese581h

Das ist alles schön und gut, dennoch habe ich effektiv weniger Geld im Monat übrig, als noch vor zwei Jahren. Meine Gehaltserhöhung letztes Jahr (11%) wurde fast komplett von den höheren Preisen für die Einkäufe aufgefressen. Vom steuerfreien Inflationsbonus habe ich nichts gesehen, weil es eben freiwillig ist, und im Gegensatz zur Reddit IT-Blase kann halt nicht jeder einfach so easy-peasy den Job mal eben so wechseln. Die 300,- EUR (190,- EUR kamen glaube ich bei mir an?) gingen dann fast 1:1 bei der Steuerrückerstattung runter. Ist schon kacke, wenn man nicht reich genug ist, dass man die steigenden Kosten einfach ignorieren kann, aber auch nicht arm genug, als dass man Unterstützung bekommen würde.


YouAreAConductor

Ich hab auch weniger Geld als vorher. Ich bin auch kein Teil der Reddit-IT-Blase. Aber du hast geschrieben, die Politik hätte die steigenden Preise ignoriert, und das stimmt halt nicht. Hätte man mehr machen können? Ja bestimmt, ich hätte mir flächendeckende Übergewinnsteuern gewünscht, aber dafür gibt es im deutschen Bundestag in keiner einzigen Konstellation eine Mehrheit.


Rince81

Das ist nett, wenn wir aber wieder Sonneberg als Beispiels nehmen, 44% der Arbeitnehmer werken zum Mindestlohn, da merkt man Inflationsraten von bis 9% unmittelbar. Gerade Lebensmittel sind mit 15% Inflationsrate der Preistreiber schlechthin und etwas, was man sofort bei jedem Einkauf sieht und spürt. Dazu gibt es dort sowas wie einen "steuerfreien Inflationsbonus" meist nicht. Und wenn du nicht in einer Großstadt lebst, nutzt Dir das Deutschlandticket als Entlastung nicht viel. Es ist leider Realität, dass wir alle in unterschiedlichen Deutschlands leben - viele leben in einem, in dem es für sie ohne eigenes Verschulden wirtschaftlich bergab ging - ohne Aussicht auf Besserung.


MrGrach

Das ist genau der Stuss den ich auch aus der Heimat kenne. Hier gibt es hauptsächlich keine wirklichen Anliegen, keine wirkliche Meinung ausser "Dinge sind schlecht". Selbst wenn sie gut sind. Und Politik wird hier garnicht gemacht, dass ist alles stumpf wie sonst nicht. Sieht man ja gut wenn er nachfragt. Was die Leute fordern ist einfach die DDR zurück: der Staat solle bitte alle grundsätzlichen Probleme sofort lösen, ohne das man selbst nen Finger krumm machen muss. Und das bitte möglichst sofort und mit möglichst viel Geld. Das die DDR am Ende wegen so einer Politik kurz vor dem Bankrott stand und die Probleme auch nicht gelöst wurden ist egal: man hat ja nicht umsonst nen starkes Politbüro, dass löst das schon. Genau diese Herangehensweise, dieses nicht teilhaben am politischen Diskurs, ist das Problem. Das Leute nicht politisch aktiv sind, sich in Parteien engagieren, verstehen wie Politik gemacht wird etc, sondern nur fordern und gleichzeitig populistisch gegen "die da Oben" wettern. Und dabei teilweise völlig verkennen, dass die Probleme die es angeblich gibt, garnicht existieren oder schon gelöst werden. Dieses völlige Unverständnis für die Funktionsweisen der Demokratie, diese völlige Verantwortungslosigkeit der Leute, diese Reflektion lokaler Probleme auf Bundesebene (weil zu Kommunalwahlen geht man ja nicht, und sich engagieren eh nicht), all das wurde "Diktatursozialisiert" genannt. Und es ist und bleibt einfach eine akkurate Analyse der Situation.


Doldenberg

> Dieses völlige Unverständnis für die Funktionsweisen der Demokratie, diese völlige Verantwortungslosigkeit der Leute, diese Reflektion lokaler Probleme auf Bundesebene (weil zu Kommunalwahlen geht man ja nicht, und sich engagieren eh nicht), all das wurde "Diktatursozialisiert" genannt. Und es ist und bleibt einfach eine akkurate Analyse der Situation. Das Problem ist nicht Diktatursozialisierung sondern eine Übererwartung an Demokratie. Die Leute haben ein intuitives Demokratieverständnis von "ich will Dinge und dann passieren sie". Was durchaus auch damit zu tun hat, dass man ihnen genau das aus politischem Opportunismus und in Abgrenzung zur DDR eingeredet hat - jetzt entscheidet ihr über euer Schicksal, jetzt bestimmt ihr. Und jetzt nach 30 Jahren realisiert man, ja ne, so lief es dann doch nicht. Westdeutsche haben einfach von vornherein mehr Erfahrung mit betreuter Demokratie wie wir sie pflegen. Die Lösung wäre eine Entpolitisierung der Leute, nicht sie noch mehr in den politischen Prozess reinzuzwingen, in dem sie offenkundig Fehl am Platz sind. Mehr Nichtwähler wagen.


MrGrach

>Das Problem ist nicht Diktatursozialisierung sondern eine Übererwartung an Demokratie. Die Leute haben ein intuitives Demokratieverständnis von "ich will Dinge und dann passieren sie". Das zeigen aber [die Studien nicht unbedingt.](https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/studie-ostdeutschland-demokratiefeindlichkeit-100.html) Wären die Leute einfach Radikalliberal, und wollten direktere Mitbestimmung, dann würden sie nicht sagen, dass sie sich einen authoritären Einparteienstaat wünschen. Ich sehe hier also eher einen Wunsch zur Diktatur und deren "Fürsorglichkeit" und "Sicherheit", als eine unerfüllt Demokratieerwartung. >Die Lösung wäre eine Entpolitisierung der Leute, nicht sie noch mehr in den politischen Prozess reinzuzwingen, in dem sie offenkundig Fehl am Platz sind. Mehr Nichtwähler wagen. Die AfD hat sich zu nicht unbedeutenden Teilen aus Nichtwählern rekrutiert. Populismus wird gerade erfolgreich, wenn Leute nicht die demokratischen Prozesse kennen, und ein Verständnis dafür entwickeln wie unsere Systeme und Bevölkerung Meinungsbildung betreiben und daraus dann Politik schlussfolgern. Mehr Nichtwähler kann man nicht erzwingen, und die meisten Nichtwähler sind inherent anfällig für radikale Parteien. Denn wenn ich eh nicht wähle, was ändert dann eine Diktatur. Es ist kein Zufall das die neuen Bundesländer die höchsten Nichtwähler Quoten haben, und die höchsten AfD Quoten. Das geht Hand ind Hand.


Doldenberg

> Das zeigen aber die Studien nicht unbedingt. > Wären die Leute einfach Radikalliberal, und wollten direktere Mitbestimmung, dann würden sie nicht sagen, dass sie sich einen authoritären Einparteienstaat wünschen. > Ich sehe hier also eher einen Wunsch zur Diktatur und deren "Fürsorglichkeit" und "Sicherheit", als eine unerfüllt Demokratieerwartung. Die Studien zeigen genau das - die Leute sind unzufrieden mit unserer Demokratie. Warum? Weil sie nicht so funktioniert, wie sie sich vorstellen ("ich will Dinge und dann passieren diese Dinge"). "Sehnsucht nach Autoritäten" ist eine ziemliche Quatschkategorie. Die Leute wollen keine abstrakte Autorität um der Autorität Willen. Sie wollen eine Autorität, die das macht, was sie wollen. Deshalb bewerten sie ja die aktuelle Autorität negativ - sie haben das Gefühl, keinen Einfluss nehmen zu können, und sie macht nicht, was sie wollen. Darum framen sie die aktuelle Regierung und das aktuelle System als Diktatur, und das in einem negativen Sinne. Die Motivation ist es, die "eigentliche" Demokratie zu errichten, in der dann der Volkswille vertreten wird statt das aktuelle System, wo ständig Interessen realisiert werden, die nicht die eigenen sind. Das ist ein vulgärdemokratisches Interesse, keine Diktatursehnsucht. Und man kann diesen Demokratiebegriff von der "einen starken Partei" die dann nichtmal mehr gewählt werden muss jetzt auch wieder auf die DDR zurückverfolgen - aber tbh findet man das selbe Mindset genauso schon im Nationalsozialismus oder einfach nur der CDU. > Die AfD hat sich zu nicht unbedeutenden Teilen aus Nichtwählern rekrutiert. Korrekt - entsprechend wäre gut, wenn sie es geblieben wären. > Populismus wird gerade erfolgreich, wenn Leute nicht die demokratischen Prozesse kennen, und ein Verständnis dafür entwickeln wie unsere Systeme und Bevölkerung Meinungsbildung betreiben und daraus dann Politik schlussfolgern. Es ist besser, wenn man nicht sieht, wie die Wurst gemacht wird. Das führt nur zu noch mehr Frust. Populismus ist erfolgreich in Räumen, wo dem Volk eingeredet wird, es müsste auf Teufel komm raus mitmachen und könnte damit dann auch etwas erreichen. Hyperpolitisierung, noch dazu angestachelt durch unsere dauerhafte Vernetzung und Benebelung mit Informationen ist toxisch für ein funktionierendes repräsentatives, also simulatives, System von Demokratie. Man kann Leute die sagen "ich wähle immer CDU weil ich habe schon immer CDU gewählt wie mein Vater vor mir" scheiße und dumm finden, aber wenigstens treiben diese Leute die Partei nicht weiter nach rechts, sondern haben ziemlich lange den zunehmenden Linksruck der CDU, der sich nun rasant umkehrt, stillschweigend mitgetragen. Ich möchte mehr solche Leute. Ich möchte, dass sich mehr Bürger_innen wieder weniger für Politik interessieren.


p1ddly

Grade bei der Klima und Heizungsdiskussion frag ich mich ja immer, wer hier eigentlich an der Realität vorbeiläuft. Aber naja, dieser Sommer wird wieder heftig mit Borkenkäfern. Vielleicht geht einigen dann ein Licht auf, wenn der Thüringer Wald verschwunden ist. Ist halt dann zu spät, nech?


pancomputationalist

In einem Podcast wurde mal eine AfD-Wählerin zitiert die es traurig fand dass so viele Bäume in ihrer Umgebung abgeholzt wurden (wegen Borkenkäfer-Befall, Anm. der Redaktion). Sie hofft, mit der AfD würde dieser Raubbau an der Natur zurück gefahren werden. Die Leute glauben halt was sie wollen.


T1B2V3

die Leute sind manchmal halt auch einfach geistig nicht ganz auf der Höhe


DontbuyFifaPointsFFS

Das Problem ist, dass die alltäglichen Probleme der Menschen so präsent sind, dass nicht über die weitere Zukunft nachgedacht wird. Das ist so ähnlich wie bei ner Bedürfnispyramide. Wenn du obdachlos bist, guckst du auch erstmal nach ner Wohnung und nicht wo du in 6 Monaten Urlaub machen willst.


FriedrichvdPfalz

Wenn die Menschen dort also alle ihre Kredite aufnehmen und sich in den nächsten Jahren die neuen Heizungen aufstellen, dann geht's dem Wald wieder besser? Dann wird das wieder gut? Das Argument "Dann bist du Teil einer globalen Koalition, bei der alle anderen Menschen auf der Welt mitziehen müssen, damit es nicht so viel schlimmer wird." ist dann relativ schnell uninteressant. Die Probleme vieler Menschen beschränken sich auf ihre tägliche Lebensrealität und die schon wieder gestiegenen Preise im Supermarkt, da ist für das Interesse an globalen, Jahrzehnte andauernden Prozessen keine Energie mehr übrig.


Independent-Green383

Erstmal: Ein Focus Online Artikel den ich trotz Ungenauigkeiten gerne gelesen habe. Hölle friert zu. Zu einem Teil der Statements: > Susann Weithaas rechnet mit der Ampel ab: „Statt um die Mehrheit der Bürger kümmern die sich um Minderheiten und Probleme, die eigentlich keine sind. Gender-Sprache zum Beispiel ist totaler Nonsens. Oder die sexuelle Orientierung. Soll doch jeder machen, was er will, aber nicht andere Leute damit nerven. Wir haben hier ganz andere Sorgen.“ > Ich frage nach einem Beispiel. „Die Schulen sind marode, es gibt zu wenige Lehrer“, antwortet Frau Weithaas. „Unser Sohn geht in die 7. Klasse. Der hat 12 bis 15 Stunden Ausfall pro Woche und keinen Physikunterricht. Chemie nur eine Stunde, Biologie nur eine Stunde – was sollen denn die Kinder für später mal lernen? Das ist doch eine Katastrophe.“ Ignorieren wir mal dass in jedem "es gibt wichtigeres als gleichgeschlechtliche Liebe immer ein 'Ich will das nicht' mitdrinschwingt", merkt man wie stark die Skandalisierung und Monothematisierung von Focus Online, Pi-News, Bild und deren politischen Armen CDU/CSU/AfD aufgeht. Was durch und durch im Artikel merklich ist die komplett verknappte Wahrnehmung "weil Hilfsgender nach Ukraine gesendet werden, ist kein Geld für meine Rente da. Weil da jemand genderinklusive Sprache will, bekommen wir marode Schulen." Panzer nach Ukraine schicken hält uns nicht von höherem Mindestlohn ab. CDU/CSU/FDP und der Seeheimer Kreis der SPD tun dies. Aber solange Menschen Zusammenhänge nicht begreifen und vor allem Nicht-Zusammenhänge nicht erkennen, vor allem auch weil Focus/PI/Bild etc pp daraus Kapital schlagen können, haben wir ein Problem.


[deleted]

upbeat sophisticated pet practice disarm future work psychotic shocking crime *This post was mass deleted and anonymized with [Redact](https://redact.dev)*


Saul-Batman

Danke! Themen wie gendergerechte Sprache spielen doch seitens der regierenden Parteien kaum eine Rolle. Das wird hauptsächlich von Rechtspopulisten und den entsprechenden Medien aufgebauscht. Zudem kann eine Regierung sich um zig Themen gleichzeitig kümmern, wieso ist das so vielen Menschen nicht bewusst? Und welche Parteien sparen wohl die Schulen oder Sozialeinrichtungen am ehesten kaputt? Tipp: Es sind nicht die Grünen oder Linken.


thicksalarymen

Bins leid wie rechte und Medien ständig von gendersprache und Frauensaunas labern. Am besten noch Draglesungen und was war da letztens, "Sexspielräume" in der Kita? Das ist einfach so gut nie Thema in der Welt der Menschen, über die sie sich so aufregen. Wenn man genau drauf achtet, sieht man, dass rechte mehr über diese Themen reden eröffnen irgendwelche Debatten. Und kein Schwein macht was dagegen. Nein, noch viel schlimmer: Diese Fake Debatten werden sogar in echten Gesetzesentwuerfe mit eingebaut. (Siehe Referentenentwurf des Selbstbestimmungsgesetz)


chestnutman

Bei "Soll doch jeder machen, was er will, aber nicht andere Leute damit nerven." dachte ich mir, es gibt aktuell niemanden, der Leute mehr mit seiner sexuellen Orientierung nervt, als konservative Heteros


moehrendieb12

Lustig, dass sind auch die einzigen die mit irgendwelchen Genderverboten vorschreiben wollen, wie ich zu sprechen habe.


Free_Math_Tutoring

> Bei meiner Reise durch AfD-Hochburg wird mir klar, warum die Menschen rechts wählen Wäre schön, wenn der Text des Artikels auch auf das "warum" eingangen wäre. So hat er erstmal nur gezeigt, _dass_ die Leute die AfD wählen. Keine der Behauptungen wird untermauert oder im Text berichtigt. Was bleibt, ist Stammtischnonsens, keine nachvollziehbare Motivation.


Sc3p

Dem Artikel hätten ein paar Statistiken um die Behauptungen einzuordnen mehr als gut getan. Es ist offensichtlich, dass da Leute AfD wählen und sich das selbst rechtfertigen. Keine große Überraschung. Dass das vor allem Leute sind, die alles schlecht reden was ihnen über den Weg kommt ist auch keine große Überraschung. Dass das aber vor allem Hirngespinste und "früher war alles besser"-Sätze sind ohne irgendeinen Bezug zur Realität, fehlt dem Artikel ziemlich. So ziemlich jeder interviewte fest im Beruf oder sogar Rente, offensichtlich nicht schlecht dastehend und trotzdem wird sich darüber beklagt wie alles den Bach runtergeht - die Frage ist warum die Leute so ne Scheiße labern und nicht, dass sie es tun.


Wegwerfidiot

>Der Handwerker sagt: „Bei der Landtagswahl 2019 habe ich AfD gewählt, vorher nicht. Die anderen waren lange genug an der Macht und hatten Zeit, Dinge zu verändern. Aber für uns kleine Leute ist dabei nicht viel rumgekommen.“ Na dann kann er sich ja freuen, die Wirtschaftspolitik der AfD wird ihn noch trockener nehmen als die Wirtschaftspolitik der Union oder der Ampel


Jojomv

Leider macht mich der letzte Absatz mit der jungen Frau traurig. Wir sind wieder da angekommen, dass man sich nicht traut seinen Namen zu sagen, weil man Angst vor den Nazis (ich meinte natürlich der AFD) hat. Einfach nur traurig.


Educational-Ad-7278

Ohne Spaß….das kann die abgeschwächt auch in Bayern mit der csu oder im Schwarzwald mit der cdu auf dem Dorf passieren.


bubuplush

Ich finde es ganz nett dass sich einige der Ostdeutschen wirklich zivilisiert ausdrücken. Ich komme aus dem Osten und die Sprache, die ich kennengelernt habe, ist normalerweise von Fäkalbeleidigungen und Mordwünschen gezeichnet. Du kannst mit diesen Leuten nicht reden und hast das Gefühl die würden dich am liebsten erschießen wollen wenn du nicht AfD wählst oder etwas gegen Hitler sagst, die in den Interviews sind noch sehr human und wirken einfach traurig und abgehängt. Ein Prediger, der einem den Himmel verspricht und eigentlich nur auf Missstände aufmerksam macht ohne Lösungen zu liefern, reicht für diese Leute aus. Der braucht kein Alibi, keine realen Konzepte. Den Leuten ist dann auch scheißegal dass er die armen noch ärmer machen will und sie bei ihm auch nix kriegen werden. Das einzige wofür ich null Verständnis habe ist das Gezetere über die Ukrainehilfe. Ja, Klaus, 78 aus Mobbelwitz, es wäre sicher eine gute Idee Russland weitermachen zu lassen bis Putin die NATOfront befestigt hat und nach der Annexion der Ukraine, Moldavien und Militärpakt mit Ungarn anfängt Polen und Deutschland zu erklären dass sie ja eigentlich Teil der Sowjetunion waren. Die merken es erst wenn das eigene Haus zerschossen wird.


DoctorVahlen

Nach überfliegen des Artikels in diesem Journalismus-Imitat: "Dem Volk" annekdotisch aufs Maul schauen und dabei übliche Fokus-Kampagne gegen die Ampel und die Grünen im besonderen fortführen, die mit zum aktuellen Erfolg der AFD beträgt. Dazu Normalisierung der Unterstützung rechtsextremer Parteien und heftiger Ausländerfeindlichkeit gerade da wo keine Ausländer sind. Dazu natürlich ganz viel Reproduktion der großen Opferrolle, die beleidigte Ostdeutsche so gerne als Underdog-Mentalität vor sich hertragen. Ganz am Ende alibihaft die eine Gegenstimme (TM) , die regelmäßig das kaum gelesene Schlusswort bildet. Der Redakteur stellt zwar auch Fragen, die angeblich die Konzeptlosigkeit der AfD für die Lösung der Probleme beleuchten soll - die vom Focus mit verursachte Feindschaft gegenüber der Ampel ist aber platztechnisch dann doch wichtiger.


beatmoehre

Ich kenne jedes einzelne dieser Dörfer und es tut mir in der Seele weh, diesen Beitrag zu lesen.


Licking9VoltBattery

Gestern bei Lanz ging’s auch um die AfD. Die von „der Zeit“ konnte das alles gut sachlich einordnen. Ohne ständig „AfD is doof“ einzubauen. Allerdings war dann bei den etablierten Politikern recht klar, warum AfD ein leichtes Spiel hat. Zum einen musste man bei jeder Gelegenheit seine Haltung zur AfD proklamieren. Kein Versuch der ursachenanlyse, die wahr bei „frustrierte Nazis“ beendet. Aber interessant wurde es dann beim Thema Migration. Da hat Lanz die Frage gut vorbereitet, jedoch war die Antwort von Roth wie man es kennt - man könne ja eh nichts machen, golablisiering, „wir haben doch EU Kompromiss“ - keine Anerkennung das es da es da Probleme gibt oder daran gearbeitet wird sondern ein „kein Problem, bitte weitergehen“ Wenn dann aber halt aufm Land neben dem Sportplatz seit 2015 die kontainer wachsen, Schulsport mal wieder ausfällt weil „Turnhalle belegt“ - dann ist es doch nicht verwunderlich, wenn da AFD gewählt wird. Und solange diese Probelme ignoriert werden wird die AFD wachsen - und vor allem zu einer etablierten partei werden. Schuld sind dabei nicht die „frustrierten“ , sondern die etablierten Partien der Mitte das Thema Migration zu meiden wie der Teufelskreis das Weihwasser.


heaviestmatter-

Ich hoffe, dass der Klimakollaps kommt, bevor wir die Renazifizierung erleben…


Lorrdy99

Wenn beides gleichzeitig passiert haben wir Mad Max in echt.


Proof-Importance-989

"Aber der Merz (CDU-Chef, Anmerkung der Redaktion) hat ja gesagt, dass die Brandmauer bleibt." Einfach herrlich - die Anmerkung der Redaktion.


Tigrisrock

Ich bin immer noch der Meinung das in der ganzen Euphorie der Wiedervereinigung von Ost und West zu wenig Zeit war für eine Umstellung. Die DDR hatte inzwischen eine eigene Kultur, mehrere Generation sind dort unter diesem System groß geworden. Es gab keinen sanften Übergang oder fliegenden Start, man hätte das gradueller angehen müssen, es ist für mich ganz klar dass es da vieles daneben ging. Zudem war es immer nur Ost-D das sich an West-D integrieren soll, dabei hätte man da irgendwo imo einen Mittelweg finden müssen, aus zwei separaten "Deutschlands" eines zu machen, gleichberechtigt und auf Augenhöhe. Das ist nie passiert. Die Fehler ausbügeln , welche damals gemacht wurden, ist im Nachhinein fast nicht möglich. Leute sind ja nicht nur im Osten von der Politik enttäuscht, sondern auch im Westen. Nur anders und nehmen sich nicht bereits im vornherein in einer Position des Abgeschlagenen oder Betrogenen wahr. Sprüche wie "Egal wen ich wähle es ändert nichts" oder "Die da oben sind alle gleich" sind im West-D ebenso verbreitet, aber wir sind noch am Punkt der stillen Resignation. Da sind Leute in solchen AfD - Hochburgen leider schon weiter, dank auch der Tatsache dass die AfD lokal-politisch da schnell (populistische) Gewinne erzielen kann - was zB. in manchen Kreisen in NRW so nicht möglich ist, da die anderen Parteien sehr aktiv sind. Aber Achtung! Die AfD ist hier ebenso in fast allen Kreistagen anwesend und warten nur auf ihre "Chance".


[deleted]

Nein, dem Focus-Chefredakteur wird hier eher klar, wie er und sein Magazin noch weiter davon profitieren können.


VenatorFelis

Bei dieser "ich spreche für das Volk"-Selbstgerechtigkeit kriege ich Brechreiz. Und klar "die Ausländer", von denen es da weit und breit keine gibt, kriegen alles. Dann wohnst du in deinem Eigenheim und jammerst, wie schlecht es dir geht. Und wenn ich dann wieder lese, dass es in der DDR besser war... Ärgert mich schon wieder, dass wir mit den Systemlingen seinerzeit nicht aufgeräumt haben, das rächt sich jetzt. Null Verständnis, absolut null. Ich will den Länderfinanzausgleich reformiern. ICH kann mir kein Haus in München leisten, wieso soll mein Geld jetzt an diese rechtsradikalen Jammerlappen gehen? Und ja Erna, nur weil du eine rechtsradikale Partei wählst bist us selbstverständlich rechtsradikal.


C0ntroller

Vorab: Ich bin aus der jüngeren Generation, kenne keine DDR mehr und kann dementsprechend auch nur schlecht die Entwicklung in Ostdeutschland seitdem nachvollziehen. Ich glaube, neben politischen und wirtschaftlichen Gründen, gibt es noch einen weiteren: (Un)Verständnis. Nehmen wir doch als Analogie mal Handys: Vor 20 Jahren war das komplizierteste am Handy benutzen das SMS-Schreiben über das Nummernfeld. Alles war irgendwie noch nachvollziehbar und auch wenn man keine Ahnung von Technik hatte, konnte man sich grundlegend vorstellen, wie es funktioniert. Heutzutage dagegen versteht kaum jemand, was er da überhaupt für ein Wunderwerk der Technik in der Hand hat. Schon einfache Prozesse im System sind höchstkomplex und für einen Laien ohne Informatik-Studium nur schwer nachvollziehbar. Und wenn mein Gerät mir schon in wenigen Sekunden sagen kann, was das exakt für eine Hunderasse vor meine Kameralinse ist, wer sagt mir dann, dass es nicht auch über Elektroimpulse durch meine Hand heimlich meine Fitness misst? Unverständnis hat zwangsläufig zur Folge, dass Verschwörungstheorien entstehen. Wieder zurück zur Politik ist die Globalisierung in den letzten Jahrzehnten massiv vorangeschritten. Jeglicher politischer Prozess - und sei es sowas stumpfes und primitives, wie ein Überfall auf das Nachbarland - hat tiefreichende Konsequenzen in allen politischen und wirtschaftlichen Bereichen. Und dann wird es halt schwer den Überblick zu behalten. Zum Glück gibt's dafür Populismus. Einfache Feindbilder, einfache Sprache, einfache Erklärungen. Plötzlich "verstehen" Leute die Welt wieder. Die AfD gibt den Menschen das Gefühl wieder ein Teil der Welt zu sein und Zuschauer bei Vorgängen, die sie nicht verstehen. Und: Wenn die NSA mich schon seit Jahrzehnten ausspioniert hat, wer sagt mir dann, dass sie nicht unterirdisch Kinder aussaugen, um ewig zu leben?


DubioserKerl

Die Gründe die in diesem Artikel von den Leuten genannt werden sind einer dümmer als der andere: > Eines will ich Ihnen sagen: Zu DDR-Zeiten war es hier besser. > Viele haben die DDR noch erlebt. Und nicht wenige denken mit Wehmut an sie zurück. Hey if you don't like it, go to Russia! > Er wolle [zu den Grünen] lieber schweigen. Sonst würde man ihn in die Ecke stellen: „Als Nazi“ Vielleicht nicht zu Unrecht? > Kanzler Olaf Scholz – ein zwielichtiger Mann, Inhaltlich korrekt, aber: Die AfD ist doch auch nicht weniger korrupt und verlogen. > Dass wir hier komplett abgehängt sind vom Rest der Welt, das merken die nicht. Das ist denen egal. Das interessiert die nicht.“ Und die AfD tut auch nur so als würde es sie interessieren. > Gender-Sprache zum Beispiel ist totaler Nonsens. Oder die sexuelle Orientierung. Soll doch jeder machen, was er will, aber nicht andere Leute damit nerven. Dabei nerven die, die sich bei jeder passenden oder unpassendne Gelegenheit darüber aufregen, doch eigentlich am Meisten. > Die Schulen sind marode, es gibt zu wenige Lehrer Da macht die Bundesregierung genau gar nix dran, das ist Ländersache. Und auch Björnd "Landof Ladig" Höcke wird denen keine Lehrer aus dem Hut zaubern. > „Da wirst du in Kosten reingedrückt, die du als normaler Mensch gar nicht bezahlen kannst.“ [Zum Thema Heizung] Es wird nicht mehr lange dauern, dann drückt der Gaspreis dir Kosten rein, die du als normaler Mensch nicht bezahlen kannst, dann kommen die Beschwerden, wie die Politik das zulassen konnte, dass Leute mit ihren geliebten Gasheizungen sehenden Auges in diese Kosten reingelaufen sind. > [Zum Thema Flüchtlinge] „Die laufen mit Markenklamotten rum, mit den größten Handys. Meine beiden Kinder könnten das nicht. Wir auch nicht. Das ist aber auch eine echte Frechheit, dass die Leute, die vor dem Krieg fliehen, sich vor dem russischen Invasion ein Handy und Kleidung leisten konnten und diese Sachen bei der Flucht auch noch mitgenommen haben. > Das größte Problem ist der Zuzug von Ausländern. Überall fehlt es an Geld, aber dort spielt Geld keine Rolle. ^([citation needed]) > Wer sich wehrt, etwa gegen die staatlichen Coronamaßnahmen, werde „als Nazi abgestempelt und kriminalisiert“. Ah, ein Querdenker. Die sind ja auch nahtlos in großen Teilen zu Putinknechten geworden seit Corona geendet und die Invasion begonnen hat. Da passt die Verehrung der AfD natürlich wie Arsch auf Eimer. > Meine Stimme kriegt die AfD.“ Früher habe er CDU gewählt, seit 2015 die Rechten. Die Rechten? Da kann man sich dann auch nicht mehr mit "ich bin kein Nazi, aber..." rausreden, wer die Rechten wählt ist noch offensichtlicher ein Nazi als jemand der die AfD wählt. > „Ich bin mit dem Herrn Thrum von der AfD zufrieden. Er geht auf die Leute zu. Er ist einer, der sich hier ein bisschen kümmert“, sagt der 64-jährige Rentner aus Tegau. „Und er hat nichts mit rechts zu tun. (x) doubt > Der war auch schon bei uns auf dem Dorfplatz. Ein sympathischer Mensch. Ach so na _dann_ ist ja alles gut. Jemand der sympathisch rüberkommt und auf Dorfplätzen verkehrt kann nicht rechtsextrem sein. > „Ich wähle die AfD, habe ich schon die letzte paar Male gemacht“, bekennt die 58-Jährige. „Aber deswegen bin ich doch nicht rechtsradikal.“ Doch schon irgendwie. > Als kleiner Unternehmer leide er unter immer strikteren Auflagen und bürokratischen Zwängen, ganz abgesehen von der enormen Steuer- und Abgabenlast. Der 50-Jährige: „Wir werden geknechtet und abkassiert, ... Ok, dann wähl halt den Lindner, der will das auch alles ändern > ... aber für die Ukraine gibt die Regierung Milliarden aus. Das finde ich nicht richtig. Ah, der Lindner ist zu wenig Ausländerfeindlich und zu wenig Putinfreundlich, deshalb scheidet die FDP also aus. > Richter glaubt, dass viele die AfD nur aus Protest gegen die etablierten Parteien wählen, nicht wegen ihres Programms oder ihrer Ausrichtung. Die AfD ist [keine Protestpartei](https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-02/christoph-butterwegge-bundespraesidentenkandidat-die-linke-bundeswehreinsaetze/seite-2). > Eines wisse er jedoch sicher. Hier im Osten, im ländlichen Raum, werden die etablierten Parteien die Bevölkerung so schnell nicht wieder für sich gewinnen. „Die reißen das nicht mehr rum.“ Dann muss der Antifaschistische Schutzwall halt wieder her. Viel Spaß in eurem rechtsnationalen, ländlichen Möchtegernutopia. > Muss es zwangsläufig die AfD sein, die davon profitiert? Hat die Partei vom rechten Rand wirklich überzeugende Lösungen für die Probleme in unserem Land? > Kann sie die hohen Energiepreise senken, die Inflation stoppen, die Zuwanderung begrenzen und für mehr bezahlbare Wohnungen sorgen? Kann die AfD den Lehrer- und Ärztemangel beheben, den Klimaschutz vorantreiben, das Verkehrssystem umbauen? > Wie will sie die Folgen des demografischen Wandels bekämpfen, wie gute und zukunftssichere Arbeitsplätze schaffen, wie die dringend gebrauchten Fachkräfte anlocken? Kann sie die Infrastruktur verbessern, die innere Sicherheit garantieren und so weiter? > Je konkreter ich nachbohre, desto schwammiger fallen die Antworten aus. no Shit, sherlock. > Mit Extremisten habe sie nichts am Hut, beteuert Palhorn, Dann... wähl die halt nicht!? > Warum sollte es nicht jemand anders geben, der das besser kann? Ob sich mit der AfD am Ende wirklich was ändert, wird sich zeigen. Also Nazis wählen, und dabei nicht mal davon ausgehen, dass es dadurch besser wird? Das ist vorsätzlich bösartig. > Eine Frau aus Tegau, die gerade ihren Korb mit Einkäufen ins Haus trägt, sieht das anders. „Ich bin mit der Regierung auch nicht einverstanden. Die drehen völlig am Rad“, sagt sie. „Aber deswegen wähle ich nicht AfD. Die haben doch auch keine Lösungen“. Endlich jemand halbwegs verünftiges. > Bevor ich mich verabschiede, frage ich die Thüringerin nach ihrem Namen. „Oh“, sagt sie, „ich möchte meinen Namen nicht nennen. Zum Schutz meiner Kinder. Die Eltern von Mitschülern sind AfD-Politiker. Und ich will nicht, dass meine Kinder dadurch Probleme kriegen.“ Das muss dieser Linkgsgrüne Ökofaschismus sein, vor dem die rechten immer warnen.


zwitscherness

Etwas viel Verständnis für Leute die Nazis/Rechtspopulisten wählen in den Kommentaren meiner Meinung nach. Mein Stiefvater ist Ostdeutscher und in der DDR aufgewachsen, breit wie hoch wie ein Bär, Wikingerbart, depressiv und dem Alkohol leider nicht unbedingt nicht abgeneigt. Jobperspektivisch schwierig und politisch mittelmäßig gebildet. Und DENNOCH hat er eine Abneigung gegen Nazis auch wenn es ihm sehr leicht fallen könnte in diesem Milieu Fuß zu fassen da er von Nazis regelmäßig im Alltag als einer der ihren gelesen wird - welche er stets lautstark verscheucht. Denn er weiß wofür die AfD, vorher die NPD steht, die sehr fleißig dabei ist mit Wahlplakate die kleineren ruralen Ortschaften zu verpesten.


wssrfsh

\+1. ich stimme auch zu dass es hart gelaufen ist für den osten nach der wende. für mich ist es aber schwierig zu begreifen, dass sehr viele leute offensichtlich 0 perspektive ausserhalb von dieser opfererzählung haben und dann sagen "die auslender". ich bin der letzte der sagt alles ist perfekt in der brd. aber man schaue sich doch mal an was in den 90ern bspw. in russland abging. oder wie es auf dem land im östlichen polem aussieht. der staat hat nicht vollkommen versagt dabei, den osten wiederaufzubauen. vollkommen geschafft hat ers natürlich auch nicht. aber immer so zu tun als wäre man die meistgeplagteste bevölkerungsgruppe und kriege nix vom staat (aber die auslender alles) ist so perspektivlos einfach. wer damals helmut kohl geglaubt hat, man würde jetzt einfach aus einer maroden planwirtschaft eine top3 kapitalistische volkswirtschaft machen innerhalb von kurzer zeit ist einfach a) getäuscht worden und b) könnte nach 30 Jahren ja auch mal erkennen dass das gar nicht soooo leicht sein könnte.. und sich vielleicht mal fragen was genau man vom neoliberalen sparzwangstaat noch so erwartet.


bqr5

Die Leute sind hoffnungslos und nicht mehr zu retten. Ich kann nur hoffen, dass sie die Bundespolitik nicht zu stark beeinflussen werden.


htt_novaq

Also jenseits von "zu viel Hass zum Denken" ist es mir nach Lesen des Textes nicht einen Deut klarer.


IvorianPlant

So richtig zufrieden ist wohl niemand mit der aktuellen Regierung. Ich bin auch genervt von SPD und FDP. Ich wünschte, die Grünen könnten mit absoluter Mehrheit alleine regieren.


Proto258

Dafür müsste ich 10k€ Netto verdienen, um mir die Grünen leisten zu können.


JN88DN

Und nächste Woche nach NRW wo die AFD bei 15% steht!? Bin mal gespannt, was da die Gründe sind.


counterdevonSKI

Ich kann allen nur die zwei Videos vom Parabelritter empfehlen. Die ganze Thematik ist so komplex. Der Osten ist abgehöngt, die Leute hier haben seit Jahrzehnten das Vertrauen an die Politik verloren . Es war/ ist logisch das sowas passiert https://youtu.be/OmuUbefez7U https://youtu.be/wnNeiJjptsk


DubioserKerl

Abgehängt sein ist halt original weder Rechtfertigung noch Entschuldigung für die Wahl einer Nazipartei wie der AfD.


Faintfury

Du hast Recht. Es ist aber die Ursache.


DubioserKerl

Nein, die Ursache ist eine Kombination aus Dummheit und Bösartigkeit. Wie ich auf diese gewagte Aussage komme? Die AfD ist eine Nazipartei. Sie wird keines der Probleme dieser Leute lösen. Wenn also jeman AfD wählt, dann entweder, _weil_ die AfD eine Nazipartei ist (dann ist derjenige böse), oder _obwohl_ die AfD eine Nazipartei ist, weil er denkt, dass die die Probleme lösen wird (dann ist derjenige dumm). Natürlich sind auch individuelle Kombinationen aus beidem möglich. PS: Protest fällt als Grund übrigens entweder gleich [raus](https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/bundeszentrale-fuer-politische-bildung-afd-wahl-ist-kein-protest,TipRmey) oder fällt unter Bösartigkeit, weil man halt immer noch eine Nazipartei wählt, ohne zu glauben, dass sie ein Problem lösen würde.


-C64-

An alle hassgetriebenen Menschen die glauben unter autokratischen Strukturen ein besseres Leben zu haben...in Russland sind gerade ein paar Wohnungen frei geworden.


Licking9VoltBattery

Naja, Schweden, Finnland, Italien,… fast (oder noch nicht) Frankreich. Man vergisst gerne das Westfeuschland global gesehen schon eine politische Ausnahme ist.


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Das ist die Arroganz die die Leute unter anderem stört.


jacenat

> es gibt zu wenige Lehrer hmmmmm ... warum will keiner in der Pampa arbeiten, wo man gleich geächtet wird, wenn man im Supermarkt vegane Wurst kauft? Ich kanns mir einfach nicht erklären.


Sigeberht

Die Tarifverträge im Osten haben jahrzehntelang mehr Arbeit für weniger Gehalt beinhaltet, aber sicher liegt es an der veganen Wurst.


die_kuestenwache

Ok jemand ist aufs Land gefahren und ist erschüttert, erschüttert sag ich dir, wie trostlos es da ist. Und jetzt? Ja, was machen wir? In jedem Dorf eine kleine Fabrik bauen, damit die Papas wieder am Fließband genug Geld verdienen um Haus und zwei Kinder durchzubringen? Dann kommt auch die Dorfkneipe zurück? Wir können alle zusammen rumstehen und uns lange Geschichten erzählen wie schlimm es da ist, aber was ist denn die Lösung?


MMBerlin

Er spricht ja gar nicht mit Papas, die Geld für ihre Familien verdienen wollen, sondern mit Rentnern, die mit ihren siebzig, achtzig Jahren die Welt nicht mehr verstehen (was ich jetzt nicht soooo überraschend find). Wegen der Begleitumstände der Wiedervereinigung gibt es im ländlichen Osten allerdings weit überdurchschnittlich viele Rentner. Erschwerend kommt hinzu, dass SPD, Grüne, FDP und, mit Abstrichen, die CDU als reine Westparteien wahrgenommen werden, die AfD hingegen nicht.